Station: [4] Die Tuchfabrik der Gebrüder Naundorf


Ein langer Komplex mehrstöckiger Fabrikgebäude, rauchende Schornsteine, hinten dampfen Eisenbahnen vorbei, vorn sind Fuhrwerke und Fußgänger auf der Meißner Straße unterwegs: So dynamisch präsentiert sich die Tuchfabrik der Gebrüder Naundorf in einer Lithografie aus dem Jahr 1912. Mit Passepartout und dem breiten dunklen Holzrahmen ist das Bild stattliche 1 Meter 20 breit. In der Ecke unten links ist das historische Schießhaus abgebildet, bevor Ernst und Julius Naundorf 1862 ihre Tuchfabrik hierher an die Röder verlegten. Danach ging es steil bergauf. 1870 entstand die schmucke Fabrikantenvilla mit den auffälligen Giebeln im Stil der Neorenaissance. Sie bildet rechts den Abschluss des Fabrikgeländes zur Auenstraße.

In den 1880er Jahren entwickelte sich die Firma Gebrüder Naundorf zur größten Tuchfabrik in Großenhain. Von der Herstellung der Fäden in der Spinnerei bis zur Veredlung der Stoffe in der Appreturanstalt war alles vorhanden. Die Anzug- und Mantelstoffe waren in vielen Ländern gefragt. Wenn uns heute die rauchenden Schlote im Bild eher an den Lärm und Dreck in den Fabrikhallen erinnern – damals waren sie stolze Zeichen des technischen Fortschritts. Typische Objekte aus der Tuchfabrik sind in der Vitrine in der Raummitte ausgestellt: Rollen mit Garn, Webschützen zum Durchschießen der Fäden und Musterbücher. Sie zeigen die Vielfalt gemusterter Stoffe, die hier produziert wurden. 1946 wurde die Fabrik verstaatlicht, 1953 zu einem Betriebsteil des VEB Vereinigte Tuchfabriken Ostsachsen. Um 1968 endete an der Meißner Straße die lange Großenhainer Tuchmachertradition. Danach wurden in den Gebäuden Elektromotoren gebaut.

Foto 1: Tuchfabrik Gebrüder Naundorf. © Museum Alte Lateinschule
Foto 2: Webschützen. © Falk Terrey