Station: [2] Familienporträt des Tuchfabrikanten Richard Zschille


Das Bild ist kein gewöhnliches Familienporträt der Gründerzeit. Mit 2 Meter 30 Breite und dem prächtig verzierten Goldrahmen ist es eine Demonstration des Reichtums und der gesellschaftlichen Stellung des Tuchfabrikanten Richard Zschille. Auf der linken Seite sitzt das Ehepaar. Eine Tochter lehnt am Schoß des Vaters, die beiden anderen Töchter und der Sohn stehen gegenüber in der rechten Bildhälfte. Die Blicke sind nach innen gerichtet, fast teilnahmslos. Die Mädchen tragen weiße Sonntagskleider. Die Wiedergabe der spitzenverzierten Stoffe zeigt die außerordentliche Qualität des Malers. Links unten ist seine Signatur zu lesen: Rudolph Wimmer, München 1884.

Richard Zschille war eine der schillerndsten Großenhainer Persönlichkeiten seiner Zeit. Die Hochzeit mit Ida Hartmann, der Tochter des Chemnitzer Lokomotivenkönigs Richard Hartmann, hatte dem Fabrikantensohn ein Millionenvermögen beschert. In der heutigen Mozartallee baute er eine „Traumvilla“ und stattete sie mit wertvollen Kunstsammlungen aus. Mittelalterliche Rüstungen und Skulpturen, Renaissanceschränke, Keramik und Porzellan. Der figürliche Dekor im Hintergrund, vielleicht ein Schrank oder eine Täfelung, deutet es an. In Kunstkreisen war der Name „Zschille“ weltweit ein Begriff. Für das Familienbild wählte er eine der besten Adressen: Der Münchner Maler Rudolph Wimmer porträtierte Fürsten und Industrielle, wenige Jahre später wurde er Hofmaler der Kaiserfamilie in Berlin.

Der Glanz war jedoch von begrenzter Dauer. Wirtschaftskrisen und überzogener Lebensstil führten in den 1890er Jahren zum finanziellen Ruin. Die wertvollen Sammlungen wurden auf Auktionen in alle Welt zerstreut, die Villa 1900 zwangsversteigert. Die Familie zog nach Dresden. Nach dem Tod der Eltern schenkte die älteste Tochter das Gemälde 1939 dem Großenhainer Heimatmuseum. Dort macht es bis heute die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Fabrikanten und Kunstsammlers Richard Zschille lebendig.

Foto: Familienporträt Richard Zschillle. © Norbert Millauer