Station: [9] Haus 1_1.OG: Landgraf Karl


M: Stolz steht er da, die linke Hand in die Hüfte gestemmt: Im Frühjahr 1685 hatte Landgraf Karl von Hessen-Kassel die richtige Entscheidung getroffen: Schon einige Monate bevor Ludwig der Vierzehnte das Edikt von Nantes widerrief, hatte Karl die Hugenotten ins Land gebeten. Er gehörte selbst der reformierten Kirche an, unterhielt enge Kontakte zu den Protestanten am französischen Hof und war daher bestens informiert.

F: Karls „Freyheits Concession“ vom April 1685 richtete sich vornehmlich an Kaufleute und Handwerker, denn er wollte in seiner Landgrafschaft Manufakturen nach französischem Vorbild errichten und Handwerkszweige etablieren, die in Hessen noch unterrepräsentiert waren.

M: Sein Plan ging auf: Im Oktober 1685 widerrief Ludwig der Vierzehnte das Edikt von Nantes, Hunderttausende flohen außer Landes. In Hessen-Kassel siedelten sich hugenottische Gemeinden aus der südostfranzösischen Landschaft Dauphiné an; außerdem mehrere Waldenser-Gemeinden aus dem benachbarten Piemont.

F: Landgraf Karl stellte den Flüchtlingen kostenlose Bauplätze zur Verfügung und sicherte ihnen eine weitgehende Selbstverwaltung zu. Die Verfolgten kamen in mehreren großen Einwanderungswellen ins Land. Und so entstanden rund um Hofgeismar regelrechte Hugenotten-Dörfer: Neben Carlsdorf im Osten folgten nördlich und südlich Schöneberg und Kelze. Schließlich kam noch Friedrichsdorf im Westen dazu.

M: Wie sehr sich die Traditionen über die Jahrhunderte erhalten haben, zeigt sich an dem sogenannten „Mayence-Fest“ in Kelze, das jedes Jahr im Mai gefeiert wird. Wir haben es in der großen Vitrine nachgestellt:

F: Ein drei- bis vierjähriges Mädchen im weißen Kleid ist die Mayencekönigin und wird von älteren Mädchen durchs Dorf geführt. Die Mädchen ziehen von Haus zu Haus und singen das Mayencelied in altprovençalischer Sprache. Dabei sammeln sie Eier und Geldspenden. Zum Schluss werden die Eier gebraten und gemeinsam gegessen.

M: Man sagt, das Mayence-Fest gehe auf eine wahre Begebenheit zurück: Bei der Flucht war ein kleines Mädchen verlorengegangen. Eine nachfolgende Gruppe nahm das Kind auf. Zufällig siedelten sich beide Gruppen in Kelze an und das Kind fand zu seinen Eltern zurück. Ein Happy-End in Zeiten von Flucht und Verfolgung!

F: Ihre nächste Station ist in der Schatzkammer, im Raum gleich nebenan.

Fotos: © Stadt Hofgeismar / Paavo Blåfield