Station: [9] Geflechtmuster-Buch von Bertha Nock


Die Strohflechterei ist eines der ältesten Hausgewerbe im Schwarzwald. Mit ihm schuf sich die ländliche Bevölkerung eine zusätzliche Verdienstquelle, insbesondere im Winter, wenn die landwirtschaftlichen Erträge ausblieben. Da das Handwerk leicht zu erlenen war und von fast jedermann ausgeübt werden konnte, wurde seine Verbreitung durch obrigkeitliche Maßnahmen gefördert. Man erhoffte sich hiermit ein effektives Mittel zur Armutsbekämpfung. Ab 1850 wurden zahlreiche Strohflechtschulen gegründet, so zum Beispiel die Strohgeflechtschule Schonach. Um 1880 wurde dort Bertha Nock als Lehrerin eingestellt. Von ihr stammt das hier ausgestellte Musterbuch, das eine Auswahl komplizierter Fantasiegeflechte zeigt. Solche Präsentationen wurden vor allem für Gewerbeschauen mit Prämienvergabe gefertigt.

1898 beauftragte Oskar Spiegelhalder seinen Agenten Eduard Fürderer, bei einem, wie er sagte, "alten Strohflechter wie dem Faller Andres" Informationen über das Handwerk einzuholen. Er hatte zu diesem Zweck selbst einen ausführlichen Fragenkatalog verfasst. Aus diesem geht hervor, dass sich der Sammler für den gesamten Produktionsablauf von der Ernte des Strohs bis zum fertigen Produkt interessierte. Aber auch die historische Entwicklung des Gewerbes von der Frühzeit bis zu den zeitgenössischen Fabriken versuchte er nachzuvollziehen. Das spiegelt sich auch in seiner Objektauswahl. Zahlreiche Gegenstände kaufte er direkt von Strohfabrikanten, Flechterinnen oder Lehrerinnen auf.  Offenbar nahm sein Interesse an der Strohflechterei im Laufe seiner Sammlerkarriere zu: waren in seiner zweiten, der nach Karlsruhe verkauften Sammlung, noch 80 Objekte der Strohflechterei zuzuordnen, erhöhte sich die Zahl in der Villinger Sammlung bereits auf 151 Arbeitsgeräte, Musterproben und Produkte.

Foto: © Franziskanermuseum