Station: [24] Löffel
Die Menschen, die diese Löffel gebrauchten, ahnten sicher nicht, dass sie einmal als Ausstellungsstücke hinter Glas zu bewundern wären. Für Oskar Spiegelhalder waren Gebrauchsgegenstände wie diese aber ein wichtiger Teil seiner Sammlungstätigkeit. Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Sammlern und Museen interessierten ihn nicht nur ästhetische Objekte der wohlhabenden ländlichen Schichten, die man der sogenannten "Volkskunst" zurechnete. Er wollte auch die Lebenswelten der einfachen Bevölkerung bis in den Alltag hinein dokumentieren. Dieser Drang zur Bewahrung war eine Folge der Hochindustrialisierung, die für einen immer rascheren gesellschaftlichen Wandel sorgte. Dabei wurde nicht nur Müll produziert, sondern es entstanden auch Museumsdinge. Was beides voneinander unterschied, hing von der Auswahl des Sammlers ab. Indem Spiegelhalder die Löffel für bewahrungswürdig erklärte, entrückte er sie ihrem Gebrauchskontext und verlieh ihnen eine ganz neue Bedeutung. Dieser Prozess des Bedeutungswandels von scheinbar Wertlosem wurde in der modernen Kunst anhand von "ready-mades" oder "objet trouvés" thematisiert. 1913 präsentierte Marcel Duchamps eine Skulptur aus einem Küchenhocker und dem Rad eines Fahrrades und definierte damit die Grenzen zwischen Müll und Kunst neu. Auch in der Archäologie sind Abfallgruben seit jeher eine der wichtigsten Informationsquellen. Wer weiß, ob einmal die Gegenstände, die wir achtlos wegwerfen, für künftige Generationen sammelwürdige Hinterlassenschaften sein werden?
Foto: © Franziskanermuseum