Station: [23] Bauernstube


Über die Bauernstube, die Spiegelhalder 1907 auf der Villinger Gewerbeausstellung präsentierte, bemerkte ein zeitgenössischer Besucher: "Welche anheimelnde Poesie umfasst uns hier in diesem niederen Raume! (…) Gefangen sind wir von der trauten Häuslichkeit, die in diesem Raume waltet. Und wir fragen uns, woher hat der einfache Bauer die Kunst, die Stube so anheimelnd, so poesievoll zu gestalten? Denn das sehen wir, nachträglich gemacht ist hier nichts, alles ist so, wie es früher war".

Diesem Urteil müssen wir heute widersprechen. Zwar handelt es sich durchaus um historische Einrichtungsgegenstände, doch vermitteln die Stuben keineswegs einen glaubhaften Eindruck des bäuerlichen Lebens. Die Objekte stammen aus unterschiedlichen Zusammenhängen und stimmen weder in Herkunft, noch in Datierung überein. Keine reale, sondern eine typische Stube wollte der Sammler hier zeigen. Sie sollte stellvertretend für die Schwarzwälder Bauernstube an sich stehen. Auffällig sind die bunt bemalten Wandvertäfelungen, die aus Rippoldsried bei Grafenhausen stammen. Sie sind für die bäuerliche Einrichtung im Schwarzwald eher untypisch.

Das Stubenprinzip galt um die Jahrhundertwende als große Innovation in den europäischen Museen. Übernommen wurde es von den zeitgenössischen Weltausstellungen und Freilichtmuseen wie Skansen bei Stockholm. Dorthin war auch Spiegelhalder im Jahr 1907 gereist. Die Übernahme dieser Präsentationsform beweist, dass er sich mit seinen Zeigepraktiken auf der Höhe der Zeit bewegte. Über Postkarten ließ er Ansichten der Bauernstube verbreiten. Die von ihm angelegte Inszenierung wurde so unkritisch als glaubhafte Wiedergabe der bäuerlichen Lebenswelten verbreitet.

Foto: © Franziskanermuseum