Station: [18] Schwarzwaldhaus-Modell


Der Schwarzwald ist Deutschlands größtes Mittelgebirge. Doch seine Bedeutung reicht weit darüber hinaus, eine geologische Besonderheit zu sein. Er ist zugleich ein Kulturraum mit velen lokalen Eigenarten. Sammler wie Oskar Spiegelhalder bestimmen unser Bild einer Region mit. Nicht nur in Büchern, Werbebroschüren oder Filmen werden uns Landschaften mit typischen Merkmalen präsentiert, sondern auch in Ausstellungen. Was als das Typische wahrgenommen wird, ergibt sich dabei durch den Vergleich mit anderen Regionen. In der Zeit um 1900 wurde dieser Prozess durch den aufkommenden Tourismus beschleunigt. Die zunehmende Mobilität der Menschen sorgte dafür, dass immer größere Kulturräume als Einheiten zusammengefasst und vermarktet wurden. Spiegelhalder selbst konnte sich auf zahlreichen Urlaubs- und Geschäftsreisen mit den Techniken der Tourismusindustrie vertraut machen. Er sammelte Zeitungsausschnitte, Vereinsnachrichten, Tourismusplakate und Ortsbroschüren, die die Entwicklung des Schwarzwälder Fremdenverkehrs nachbuchstabieren. Neben dem Denkstil des Volkskundlers und des Händlers bestimmte also auch die Tourismusförderung die Strategien des Sammlers. Um Besucher zu gewinnen, musste er zeigen, was das Publikum sehen wollte. Doch was erwartet der heutige Besucher vom Schwarzwald? Das Schwarzwaldhaus, hier in einem Modell zu sehen, das erst nach dem Tod Spiegelhalders in die Ausstellung kam, mag beispielhaft aufzeigen, dass übermächtige Symbole die wahre Vielfalt verschleiern können. Das berühmte Krüppelwalmdach findet sich auch auf Bauernhöfen in der Schweiz oder in Österreich, und im Schwarzwald selbst können mindestens sechs verschiedene Haustypen mit unterschiedlicher lokaler Verbreitung angetroffen werden. Selbst der Bollenhut ist nicht einmalig, gibt es ähnliche Formen von Blumenhüten mit Wollpompons doch weltweit. Kirschtorte und Kuckucksuhr wiederum wurden vermutlich außerhalb des Schwarzwaldes erfunden. In Wirklichkeit ist die Region "Schwarzwald" wesentlich vielfältiger, als es das Klischee erahnen lässt.

Foto: © Franziskanermuseum