Station: [10] Strohintarsiendose Chinoiserie


Die Bilder auf der kleinen Schachtel wurden als Strohintarsien gestaltet. Dabei wurden verschiedenfarbige Strohstücke wie ein Mosaik auf der Unterlage aus Pappe angebracht. Mit solchen Alltagsgegenständen versuchten die Schwarzwälder Strohmanufakturen im 19. Jahrhundert über die Hutproduktion hinaus den Markt zu beleben und konkurrenzfähig zu bleiben. Doch auch in den Strohflechtschulen um die Jahrhundertwende wurden zahlreiche Arbeiten in Strohintarsien produziert. Auf die Herkunft von einer ambitionierten Lehrerin oder Schülerin könnte das seltene Motiv hindeuten, das dem bürgerlichen Bildungskanon entnommen ist.

Auf der Innenseite des Deckels ist eine klassische Liebesallegorie abgebildet: ein Hirtenjunge spielt seiner Geliebten auf einer Sackpfeife vor. Die Außenseite zeigt eine exotische Szenerie mit einem Mann und einer Frau in fantasievollen Kostümen. Solche 'Chinoiserien', die Elemente der chinesischen Kunst aufgriffen, waren vor allem im späten 17. und 18. Jahrhundert beliebt, wobei eine Lackarbeit vielleicht die Vorlage lieferte. Vermutlich handelte es sich bei der Schachtel um ein Brautgeschenk.

In Spiegelhalders Nachlass findet sich keine kunsthistorische Auseinandersetzung mit dem Bildprogramm – für ihn lag der Wert der Schachtel wohl entweder in ihrem rein ästhetischen Wert oder darin, dass sie die Vielfalt und Kunstfertigkeit des Schwarzwälder Strohhandwerks dokumentierte. Die Ausgestaltung bot dabei einen reizvollen Kontrast zu den häufig nur geometrisch angeordneten Strohintarsien. Womöglich dienten kunsthistorisch wertvolle Objekte wie dieses auch der Aufwertung seiner Sammlung mit Blick auf einen späteren Verkauf. Er selbst hatte die Schachtel 1911 in Neustadt erworben.

Foto: © Franziskanermuseum