Station: [116] Minnetruhe


Das am häufigsten abgebildete Stück der Sammlung dürfte dieses Kästchen mit biblischen und erotischen Darstellungen sein. Es ist jedenfalls das am weitesten verliehene und war schon in einer Ausstellung in Bilbao. Der Eintrag im Altertümerrepertorium ist kurz: "Eine Truhe aus Holz, mit kostbarer Schnitzerei aus dem 14. oder 15. Jahrhundert". Angeschlossen ist jedoch ein langer Text über die Geschichte des Klarissenklosters, aus dem es stammt. Am Bickentor gelegen, ist es das einzige Kloster in Villingen, das vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert bestand, - wenn auch in unterschiedlicher Form. Das Klarissenkloster nahm nicht nur Töchter Villinger Bürgerfamilien auf, sondern auch solche aus der Region des Bodensees. Ende des 18. Jahrhunderts in eine Schule der Ursulinerinnen verwandelt, unterrichteten die Nonnen viele Generationen Villinger Mädchen. Die erotischen Darstellungen der Truhe lösten bei den Nonnen im Mittelalter wohl keine Schamgefühle aus. Fruchtbarkeit war kein Tabu. Dass jedoch das Leben in strenger Klausur Phantasien bei den Bürgern auslösten, beweisen sagenhafte Erzählungen von weiß gekleideten Jungfrauen, die nachts im Garten des Klosters getanzt haben sollen. Auch Romäus, dem Stadthelden, wird die Entführung einer Klosterfrau angedichtet.

Foto: © Franziskanermuseum