Station: [123] Weberstraße 3: De Beckerschaul


F: Aller guten Dinge sind drei… aller schlechten auch.

An diesem Ort lebte und arbeitete Webermeister Andreas Becker. Nach seinem Tod im Jahr 1812 herrschte Beckers Witwe über das Haus und betrieb hier – neben Köster- und Rekterschaul – die dritte Bildungsanstalt Stavenhagens. Fritz Reuter:

M (Zitat): „Die Becker-Schule hat ihren Namen von der alleinigen Directrice und alleinigen Lehrerin, der Frau Becker oder ‚Mutter Beckersch‘, wie sie von allen Leuten genannt wurde, einer sehr alten, emeritirten Weber-Wittwe, die dies Privat-Institut ohne Beihülfe von Staats- und Stadt-Mitteln auf eigene Faust begründet hatte […]. Hier wurden die Anfangsgründe aller Wissenschaft, ausdauerndes Sitzen und verständiges Maulhalten eingeübt. Wer damit durch war, kam ganz allmählich auf dem Wege der Buchstaben-Kenntniß und des a-b, ab, b-a, ba in die Fibel, aus welcher er in dieser Schule nicht wieder herauskam. Frau Becker saß während der Lehrstunden auf einem Binsenstuhle […]. In ihrer Hand hielt sie ein Instrument von eigener Erfindung, wie es für ihren gebrechlichen Körperzustand paßte, der ein öfteres Aufstehen nicht mehr erlaubte, eine Birkenruthe, die an einem Stück Bohnenstange befestigt war und mit welchem sie bis in die entferntesten Ecken ihres Schullokals reichen konnte, um jeden Versündiger […] auf der Stelle abstrafen zu können. Offenbare Bösewichter, bei denen die kindliche Birkenruthe nicht mehr fruchten wollte, wurden auf die beschämendste Weise dem öffentlichen Hohne preisgegeben; sie wurden mit einem gewaltigen Esel um den Hals vor die Thüre auf die Straße gestellt und dienten in ihrer Verworfenheit der gemeinen Sittlichkeit als abschreckendes Beispiel. […]

Leider schlug die Sache gerade in’s Gegentheil um. Wenn ein solcher Eselträger öffentlich ausgestellt war, versammelte sich die übrige Jugend aus der Straße um ihn und baten ihn: ‚Korl, ick gew Di ok en Stück von minen Appel, lat mi ok mal eins den Esel ümhängen.‘ – ‚Krischaening, nu mi mal! […] Ja, mein bester Freund, Karl Nahmacher, kam schon nach der zweiten Stunde, in der er sich hartnäckig gegen die Sitzverordnungen gesträubt hatte, jubelnd nach Hause zurück: ‚Mutting ick heww den Esel üm hatt! Vatting, ick heww mit den Esel up de Strat stahn!‘“

Foto: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum