Station: [121] Malchiner Str. 2: Gasthaus Toll


M: Fritz Reuter war sechs Jahre alt, da richtete Christian Friedrich Toll im linken Teil dieses Gebäudes einen Gasthof mit angeschlossener Herberge ein. Er hatte zuvor versucht, im Stoffhandel sein Glück zu machen, war aber gescheitert.

F: Um so erfolgreicher war er mit seiner neuen Geschäftsidee. Fritz Reuter erinnerte sich an die Jahrmärkte und Maskenbälle, die dem Gasthaus Toll jahrein jahraus ein volles Haus bescherten:

M (Zitat): „Im Gasthaus Toll […] hatte der König Pharao (wie man ihn zu nennen pflegte) sein Hoflager aufgeschlagen, und alles drängte sich um den grünen Tisch seines zeitweiligen Ceremonienmeisters, der in der Gestalt eines professionirten Spielers seine Schätze aufstapelte; dicke ehrwürdige Bäuche, auf deren heitern Gipfeln schwere, goldene Uhrketten […] auf- und niederwackelten, saßen mit […] von Punsch und Bischof gerötheten Gesichtern um die lange Tafel und bogen in unerschütterlichem Gleichmuthe ihre Karten. Breitspurige Inspektoren in […] glänzend lackierten Stulpen, mit mächtigen Anschnallsporen, klatschten mit Reitgerten an besagte Stiefel.“

F: An einem Faschingsball nahm der kleine Reuter als Schornsteinfeger verkleidet teil. Sein Freund Karl Nahmacher ging als Gärtnerjunge. Das Ende des Spektakels bekamen die beiden Halbwüchsigen allerdings nicht mehr mit:

M (Zitat): „Der Schornsteinfegerjunge Fritz Reuter und der Gärtnerjunge Karl Nahmacher lagen Arm in Arm unter Tanten Toll’s Theetisch und schliefen den süßesten Kinderschlaf.“

F: Auf das Ehepaar Toll folgten Pächter namens Schmidt, Beutel, Kämpfer, Kossel, Holz und Clasen. 1875 – ein Jahr nach Reuters Tod – ging das Gasthaus in den Besitz der Familie Kutzbach über, die es um den rechten Gebäudeflügel erweiterte und auch nach dem Zweiten Weltkrieg als „Hotel Kutzbach“ weiterführte.

Fotos: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum