Station: [101] Dat olle Schloss
M (Zitat): „Ein paar Schritte rechts um die Ecke des Rathauses führen uns plötzlich in die Romantik des Städtchens. Ein mit Kastanien bepflanzter Weg zieht sich den Hügel hinan, auf welchem das jetzige Amtsgebäude, ein früheres herzogliches Jagdschloss, von einem schönen Garten rings umgeben, liegt.“
F: Den Weg, den Sie wohl auch gerade hoch zum Schloss genommen haben, ist Fritz Reuter tausendfach gegangen. Sein Patenonkel, der Amtshauptmann Weber, residierte hier.
M (Zitat): „Deutlich sind die Spuren von Wall und Graben, von alten Befestigungen noch in dem Wechsel von Hügel und Wiesen […] zu erkennen und bezeugen die Wahrheit der Überlieferung, dass hier einmal eine alte Ritterburg gestanden und den Kern zur späteren Bildung der Stadt abgegeben habe.“
F: Eine Ritterburg mit Burgfräulein, Gespenstern und schwarzen Pudeln mit roten Augen – wie in Reuters Phantasie – dürfte es allerdings nicht gewesen sein. Zu Reuters Lebzeiten war das so genannte Schloss ohnehin schon längst ein Verwaltungsgebäude – der Sitz des Stavenhagener Domanialamtes.
M (Zitat): „Der alte Amtshauptmann Weber und seine Frau, die das weitläufige Gebäude in stiller Einsamkeit mit einer alten Wirthschaftsmamsell bewohnten, erhielten in meinen Augen eine Glorie von Heldenmuth, wenn ich bedachte, dass diese Leute sich ohne Furcht einer stillen zufriedenen Häuslichkeit an Orten hingaben, wo doch jedenfalls einst das Gewaltthätige, Schreckliche und Grauenerweckende gehaus’t hatte; und die alte Mamsell Westphalen, wenn sie heiteren Angesichtes mit der Lampe in das apfelbewahrende Burgverließ hinunterstieg, kam mir an Todesverachtung nicht geringer vor, als eine zweite Jungfrau von Orleans.“
F: Kein Wunder also, dass Fritz Reuter später seinen turbulenten Roman „Ut de Franzosentid“ rund um das alte Stavenhagener Schloss spielen ließ!
Foto: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum