Station: [109] Der Webstuhl
F: So klang das hier früher, wenn die Bäuerin oder die Magd oder die Oma am Webstuhl saßen. So ein riesiges Gerät aus Holz war nötig, um und aus dem selbstgemachten Garn lange Stoffbahnen zu weben, aus denen dann wiederum Kleidungsstücke genäht werden konnten.
Eule: Ich sage es ja immer wieder…
F: Oh, hallo Eule!
Eule: Tss, tss, tss. Die Menschen sind einfach zu kompliziert.
F: Wie meinst du das?
Eule: So ein riesiges hölzernes Gebilde und die vielen, vielen Stunden Arbeit – wofür?
F: Na, damit die Menschen Stoff für ihre Decken und für ihre Kleidung haben.
Eule: Eben! Wer braucht denn Stoffe für Decken und Kleidung?
F: Na … die Menschen…
Eule: Im Ulenlock oder einer schönen Baumhöhle – nicht viel größer als man selbst – ist es immer mollig warm. Auch ohne Zudecke. Und mit einem dichten Federkleid braucht man auch keine Kleidung. Und überhaupt ist ein sorgfältig gemustertes Federkleid viel hübscher anzusehen als die blassen und gelben und grauen Stoffe der Menschen.
F: Aber die Menschen haben halt keine Federn.
Eule: Eben. Nur ein bisschen übriggebliebenes Fell auf dem Kopf. Aber wenn man glaubt, ganz nackig durchs Leben zu kommen, dann wird man eben schnell eines Besseren belehrt. Dann muss man eben sitzen und weben und weben und weben… bis man ein Stückchen Stoff hat, das man sich dann um den Leib schlingen kann. Damit man nicht erfriert. Also wirklich. Diese Menschen sind irgendwie eine Fehlkonstruktion.
F: Ach, Eule. Ich glaube, du bist zu streng. Jeder ist halt besonders. Und was der eine hat, hat der andere nicht. Du kannst mit deinen schönen Federn fliegen und dich wärmen. Und die Menschen können dafür Häuser und Schiffe und Flugzeuge bauen und aus Pflanzen Garne herstellen und aus den Garnen Stoffe weben und aus den Stoffen Kleidung herstellen. Jeder so, wie er es braucht.
Eule: Ich sag ja nur.
F: Ach, Eule…
Fotos: © Tanja Heinemann