Station: [702] Die Bleicherhütte
F: Die ganze, große Wiese überspannt mit nagelneuen Leinentüchern – so sah das früher hier aus… jedenfalls für ein paar Tage oder Wochen im Jahr.
M: Die Herstellung von Leinen war aufwändig und nahm ziemlich genau ein Jahr in Anspruch: Im Frühjahr wurde der Flachs gesät, im Frühsommer geerntet, getrocknet und weiterverarbeitet. Den Herbst und Winter verbrachte man mit Spinnen und Weben. Und im nächsten Frühjahr schließlich wurden die noch gräulichen Leinentücher dann gebleicht. Und das jedes Jahr aufs Neue.
F: Für das Bleichen breitete man die langen Tuchbahnen auf dem Rasen aus und hielt sie feucht, indem man sie immer wieder mit Wasser bespritzte. Licht und Sauerstoff und die Photosynthese des Grases sorgten nach und nach für einen blütenweißen Stoff. Diese chemische Reaktion ging allerdings langsam vonstatten und konnte – je nach gewünschtem Effekt – Tage, Wochen oder sogar Monate dauern.
M: Man sagte, die Märzbleiche sei die beste und effektivste. Allerdings nur, wenn einem das kostbare Tuch in dem langwierigen Prozess nicht abhanden kam! Daher stand am Rande jeder Bleiche eine kleine Hütte, in der der Knecht und der Hofhund übernachten mussten, um potentielle Leinendiebe auf frischer Tat zu ertappen.
F: In kühlen Märznächten war das sicherlich eine ziemlich frostige Angelegenheit!
Fotos: © Tanja Heinemann