Station: [600] Das Heuerhaus
F: Ist es der kleine Bruder vom großen Bauernhaus?
M: Das Heuerhaus sieht dem Bauernhaus verdächtig ähnlich – es ist alles nur eine Nummer kleiner und bescheidener. Das Dach ist mit Reit gedeckt, ganz oben ist das Ulenlock zu erkennen – der Rauchabzug, in dem sich gerne die Eulen einnisteten. Darunter wölbt sich der Hamm – ein mächtiger, halbrunder Bodenraum, auf dem allerlei Heu, Stroh und Getreide gelagert wurde. Die Grootdör des Heuerhauses fällt ein wenig bescheidener aus. Und auch das Fachwerk ist zumeist nicht mit Ziegelsteinen ausgemauert, sondern mit einer Lehmmischung verschmiert.
F: Kein Wunder. Denn im Heuerhaus wohnte nicht die Bauernfamilie, sondern deren Mieter. Zu jeder Bauernstelle gehörten mehrere Heuerhäuser, die gegen eine geringe Pacht und viel Arbeitsleistung dem Heuermann überlassen wurden. Das waren oft genug die jüngeren Geschwister des Erstgeborenen, der den großen Hof – die Bauernstelle – übernommen hatte.
M: Der Deal sah so aus: Der Bauer vermietete das Heuerhaus an seine Heuerleute. Zum Haus gehörten auch ein paar Hektar Land, die für den eigenen Bedarf bewirtschaftet werden durften. Doch dazu mussten die Heuerleute die Gerätschaften des Bauern ausleihen: das Spannwerk, das Pferd, den Pflug beispielsweise. Für einen Tag, den der Heuermann die Geräte des Bauern nutzte, musste er anschließend drei Tage bei ihm arbeiten.
F: Eine nicht ganz ausgeglichene Rechnung! Aber so ging der Bauer zumindest sicher, während der Saison genügend Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, die er außerhalb der Saison nicht zu bezahlen brauchte. Die Heuerleute hingegen mussten ihre eigenen Arbeiten nach Feierabend oder am Wochenende erledigen. Frau und Kinder mussten ständig mitarbeiten.
Fotos: © Tanja Heinemann