Station: [7] Die Waldenser


An diesen alten Schulbänken lernten vor rund 200 Jahren die Kinder aus den Waldenserdörfern. Das große Bild hinter den Bänken zeigt das Leben in einem solchen Waldenserdorf, in der Alpenregion zwischen Frankreich und Italien im 19. Jahrhundert. Die Dorfbewohner gehen gerade in die Kirche, rechts daneben befindet sich das Schulhaus. 
Keine Selbstverständlichkeit, denn Lernen, in einer eigenen Schule, mit Lehrern und Büchern, war für die Waldenserkinder lange Zeit ein unerfüllter Traum.
Die Waldenser sind eine mittelalterliche christliche Bewegung, die sich im 16. Jahrhundert der Reformierten Kirche anschloss. Über Jahrhunderte wurden sie verfolgt, viele starben für ihren Glauben. Nur einige wenige Gemeinden konnten sich in die abgelegenen Alpenregionen zwischen Italien und Frankreich retten. Hier lebten sie über Jahrhunderte im Verborgenen in größter Armut. Ihnen fehlte es an allem, Nahrung, Schulen und ärztlicher Versorgung. Als reformierte Christen haben sie ein ähnlich tragisches Schicksal wie die Hugenotten erlitten.
Im 19. Jahrhundert wurde man im Ausland auf das Leid der Waldenser aufmerksam. John Charles Beckwith, ein ehemaliger Offizier der britischen Armee, hat in England über die Not der Menschen einen Reisebericht gelesen. Die Schilderung weckte seine Neugier, 1827 reiste Beckwith in ein italienisches Waldenserdorf.
Das Elend der Menschen vor Ort hat ihn tief bewegt. Beckwith entschloss sich spontan zu helfen und blieb der Region sein Leben lang verbunden. Jedes Jahr verbrachte er mehrere Monate bei den Waldensern und förderte engagiert die schulische Ausbildung der Kinder. Mit eigenem Geld und englischen Spenden ließ Beckwith in der ganzen Region Schulgebäude bauen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es bereits 169 solcher Beckwith-Schulen. Zudem versorgte er die Kinder mit Büchern und Lernmitteln und finanzierte die Lehrerausbildung. Später, mit über 60 Jahren, heiratete Beckwith eine Waldenserin. Die gemeinsame Tochter wurde kurz nach seinem Tod geboren. 
Heute ist die evangelische Waldenserkirche die größte protestantische Kirche Italiens mit rund 30.000 Mitgliedern. Auch in Nordhessen haben die Waldenser ihre Spuren hinterlassen. In direkter Nähe zu Bad Karlshafen liegen die beiden Dörfer Gewissenruh und Gottstreu. Es sind ehemalige Waldenserkolonien, die zur Aufnahme von Glaubensflüchtlingen im 18. Jahrhundert gegründet wurden.

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