Station: [106] Das Pädagogium


M:  „Pädagogium Mögglingen - in schönster Lage des Remstals, 6 klassige Realschule mit Schülerheim Lindenhof. Staatliche Abschlussprüfung mittlere Reife, (…), bekannt gute Verpflegung; Aufnahme vom zehnten Jahre an.“

F: So stand es 1928 in einer kleinen Zeitungsannonce. Zu dieser Zeit war in dem imposanten Gebäude an der heutigen Bahnhofstraße eine private Mittelschule untergebracht. Geleitet wurde sie von einem gewissen Martin J.C. Preston aus Düsseldorf. Er selbst nannte sich Direktor und seine Schule „Pädagogium“.

M: „Fleiß, Ordnung und tadelloses sittliches Benehmen ist oberstes Gebot, …  und starrsinnige Faullenzer dulde ich nicht, … meine Schüler sollen später keine zuchtlosen Gesellen werden.“

F: Ab 1927 geriet die Schule jedoch zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Drei Jahre später war dann endgültig Schluss, der Schulbetrieb wurde eingestellt. In den folgenden Jahren wechselte das Haus mehrfach die Besitzer – und verfiel dabei zusehends. Eines blieb aber all die Jahre erhalten: der Name Pädagogium.

M:  Erbaut wurde das Haus ursprünglich vom Bahnhofsvorsteher August Betz. 1907 war das. Betz wollte dort eine Verkehrsbeamten-Schule eröffnen, junge Männer sollten dort auf den unteren Verwaltungsdienst bei der Bahn vorbereitet werden sollten.

F: Bahnpersonal war gefragt. Bereits 1861 war die Zugstrecke von Cannstatt nach Wasseralfingen eröffnet worden. Nach Wasseralfingen deshalb, weil dort eines der bedeutendsten staatlichen Hüttenwerke seinen Sitz hatte. Die Strecke war mit einem elektrischen Telegrafen ausgestattet. Und nach etwa jedem Kilometer stand ein Bahnwärterhäuschen.

M:  Der bekannteste Absolvent dieser Verkehrsbeamten-Schule ist ein gewisser Adolf Barthelmäs.

F: Geboren am 21. Mai 1900 in Schrozberg bei Ellwangen. Von 1914 bis 1917 Besuch der Verkehrsbeamten-Schule in Mögglingen, dann Abitur, anschließend Karriere bei der Deutschen Reichsbahn. 1937 Eintritt in die NSDAP, ab Oktober `39 Vorsteher der Güterabfertigung im Bahnhof … Auschwitz.

M:  Barthelmäs war dort unter anderem für die ankommenden Waggons und deren Weiterleitung ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verantwortlich. Er selbst gab an nie „bei den Ausladungen“ dabei gewesen sein. Er wusste aber sehr wohl, wie viele Menschen sich in den ankommenden Güterwaggons befanden und unter welchen Bedingungen sie dort seit Tagen zusammengepfercht waren: ohne Toilette, ohne Nahrung, ohne Wasser. 

F: In einer Vernehmung 1967 erklärte er lapidar, „kein persönliches Interesse“ daran gehabt zu haben, was mit den Menschen geschehen sei. Heutige Forschungen gehen davon aus, dass 1,3 Millionen Menschen nach Auschwitz deportiert wurden. 1,1 Million von ihnen starben.

M:  Und Adolf Barthelmäs? Der arbeitete anschließend in der Güterabfertigung am Bahnhof Nürnberg. Eine ganz normale deutsche Nachkriegskarriere.

 

Fotos: © Jürgen Bahnmayer