Station: [10] Klosterkirche Thalbürgel: Langhaus
F: Der heutige Kirchenraum war ursprünglich nur das Mittelschiff der mittelalterlichen Basilika. Und geradezu, wo heute die Querwand mit dem großen, dreigliedrigen Fenster verläuft, begann früher das Querschiff, an das sich die Chöre mit den Apsiden, den Altarräumen, anschlossen.
M: Die historische Klosterkirche war also mehr als doppelt so lang! Und die weite Strecke in Richtung des Altarraums war als Weg zu Gott gestaltet. Wandern Sie gerne diesen Weg entlang und schauen Sie nach links und rechts: Die Pfeiler stammen aus der Erbauungszeit des Klosters im 12. Jahrhundert und ihre Kapitelle sind mit floralen Ornamenten gestaltet, die von Joch zu Joch wechseln. Darüber verläuft auf der linken Seite ein Fries, der die stilisierten Blattornamente aufnimmt und ebenfalls auf den Altar zuführt.
F: Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie zwischen dem zweiten und dem dritten Pfeiler links ein schlichtes Kreuz im Sandstein – ein Zeichen dafür, dass an dieser Stelle einer der Mönche, die die Bauarbeiten ausführten, zu Tode gestürzt ist.
M: Und auf der rechten Längsseite, im Seitenschiff, befindet sich die einzig erhaltene Skulptur aus Klosterzeiten: eine Pietà, eine trauernde Muttergottes, um 1510 aus Lindenholz geschnitzt.
F: Nach der Auflösung des Klosters stand die Kirche gut 30 Jahre leer. Erst um 1560 hatten sich genügend Bauern und Handwerker rund um das Kammergut angesiedelt. Aus der einstigen Klosterkirche wurde die Thalbürgeler Dorfkirche. Die abgetrennten Seitenschiffe dienten als Viehstall und zum Unterstellen von Ackergerät, bevor sie abgerissen wurden. Und hier, im Mittelschiff, wurde ein Hängeboden eingezogen und ein Getreidespeicher eingerichtet – hoch über den Köpfen der Gläubigen.
M: Mitte des 19. Jahrhunderts, noch zu Goethes Zeiten, begannen sich Bürger wie Fürsten für Geschichte zu interessieren. Allmählich wurde der Wert historischer Gebäude erkannt und die ersten – heute würden wir sagen: Denkmalpfleger – kümmerten sich um ihre Erhaltung. Sie restaurierten die Kirche und bauten die Seitenschiffe wieder an. Aus heutiger Sicht trafen sie aber so manche Fehlentscheidung: Sie rissen den vom Beginn des 15. Jahrhunderts stammenden Lettner ab und vergruben ihn im Boden. Die farbigen Wandmalereien wurden mit Säure abgewaschen. Der Kirchenraum beeindruckt seitdem durch die elegante Schlichtheit des hellen Sandsteins.
F: Die einstige Klosterkirche verfügt über eine bemerkenswerte Akustik. Sie heißt seit mehr als fünf Jahrzehnten jeden Sommer Musiker und Musikerinnen aus nah und fern zu einer mittlerweile überregional bekannten Konzertreihe willkommen.
M: Der jährliche Thalbürgeler Konzertsommer hat sich zu einer festen kulturellen Größe in Thüringen entwickelt. Im neuen Gemeindezentrum an der Klosterkirche werden Sie erfahren, wie die Kirchgemeinde die positiven Ideen der Mönche heute versteht: Wertschätzung der Arbeit mit Hand und Kopf und Herz. Die Vergangenheit, die Leistung unserer Vorfahren, finden Sie im Museum Zinsspeicher gleich gegenüber.
F: Die Kirchgemeinde und die von ihr gegründete Stiftung Klosterkirche Thalbürgel möchten das spannende Erbe des Klosters bewahren, beleben und weiterentwickeln. Schauen Sie gern einmal auf der Internetseite vorbei.