Station: [25] Wallfahrtszettel mit Klosteranlage und Heiligblutreliquie


Maus: Schau, mein kleiner Freund. Diese Blatt, dass der Franz Xaver Schönbächler um 1750 herum gezeichnet hat, wird dich erfreuen. Denn links unten siehst du die romanische Kirche, wie sie wohl zu deiner Zeit schon aussah.

Kleiner Mönch: Das Kirchenschiff erkenne ich in etwa, und den Friedhof daneben unten im Westen und den Kreuzgang im Süden auch. Aber unser Turm war ganz anders.

Maus: Stimmt, der wurde ja 1722 umgebaut; das hatte ich vergessen. Und die Umgebung zeigt ohnehin nicht ganz den wirklichen Zustand, sondern das Kloster Schuttern, wie es einmal aussehen sollte. Die Planungen für den Klosterumbau, der die alt-ehrwürdige Abtei in eine prächtige Palastanlage nebst ausgedehnten Gärten verwandeln sollte.

Kleiner Mönch: Das Kloster eine Palastanlage? Passt das denn? Ist das nicht viel zu luxuriös?

Maus: Nun... in der Barockzeit, also vor 250 Jahren, da war das durchaus üblich. Ein schönes, prächtiges und ja... auch etwas luxuriöses Kloster zu bauen.

Kleiner Mönch: Zum Lobe des Herrn?

Maus: Und zur Freude der Besucher.

Kleiner Mönch: Was für Besucher denn?

Maus: Die Pilger, die kommen, um die Reliquien des Klosters zu sehen. Die Knochen von Heiligen, vor allem aber die sogenannte Heiligblutreliquie.

Kleiner Mönch: Warum sogenannt? Das ist wahrhaft die unschätzbarste Kostbarkeit Schutterns! Meine älteren Mitbrüder erzählen immer noch, mit welchem Jubel die Heiligblutreliquie am 15. November 1268 in das Kloster Schuttern gebracht wurde. Das ist seitdem unser wichtigster Feiertag.

Maus: Aber wie konnte man das glauben? Unter dem Kreuz von Jesus stand doch keiner mit ’ner Abfüllflasche.

Kleiner Mönch: Natürlich nicht. Aber damals, als Jesus Christus am Kreuz hing, ist sein Blut auf die Erde getropft. Fromme Leute haben diese Erdkrümel aufgehoben. Wenn man da Jahrhunderte später noch welche davon auftreiben kann, ist das fast ein Wunder. Und was soll ich dir sagen? Meinem Großonkel Abt Hermann Burner hat man 1268 solche Blutstropfenerde in Straßburg angeboten. Das war ein Ding!

Maus: Verstehe, verstehe.

Kleiner Mönch: Viele Menschen glauben, dass Gebete besonders dort erhört werden, wo wichtige Reliquien sind. Klar kommen die von nah und fern, um in Schuttern zu beten.

Maus: Und sie bringen Geld mit, das dann dem Kloster zugute kommt. Wenn ganz viele Menschen kommen, um vor dem Heiligen Blut zu beten und dem Kloster Geld spenden – dann wird das Kloster so reich, dass es zu einer kleinen Palastanlage umgebaut werden kann.

Kleiner Mönch: Wenn du es so sehen willst: Ja. Dies alles geschieht aber zum Lobe des Herrn...

Maus: ... und zum Wohlergehen des Klosters.

Kleiner Mönch: Was aus meiner Sicht – mit Verlaub – dasselbe ist.

Maus: Aber du musst zugeben, dass es nicht ganz ehrlich ist, wenn man den Leuten so ein Wallfahrtsbild wie dieses hier mitgibt. Wer das sieht, kommt her, um die abgebildete wunderbare Anlage zu bestaunen, und dann ist alles erst im Aufbau ...

Kleiner Mönch: Sie kommen, weil Gott die Anstrengungen belohnt, die sie unternehmen, um der wunderbaren Heiligblutreliquie nah zu sein. Das Bild stellt ja auch die Verhältnisse ganz richtig dar. Unten ganz klein das Kloster. Und oben ganz groß die Monstranz, in der die Heiligblutreliquie gezeigt wird.

Maus: Und mit jeder Menge Engeln drumrum, denn der Wallfahrtszettel stammt...

Kleiner Mönch: ... aus der Barockzeit. Hab ich kapiert. Aber sag: Wo ist denn heute, in deiner Zeit, die Reliquie?

Maus: Die ist nicht mehr da. Na ja, das Kloster gibt es ja auch nicht mehr. Da ist die Reliquie wohl woanders hingekommen.

Foto: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim