Station: [22] Die Synagoge


M: Im Capitol, wo heute der Sänger Marc Almond auftritt, die Comedian Hazel Brugger ihre trockenen Witze reißt und das Ballett zu Tschaikowskis Nussknacker tanzt, feierte von 1916 bis 1938 die jüdische Gemeinde ihre Gottesdienste. Denn das Gebäude, vor dem Sie stehen, war früher eine Synagoge. Auf dem Bildschirm Ihres Smartphones sehen Sie einen Modellnachbau.
 
F: Nachdem die alte Synagoge, die einst in der Großen Marktstraße stand, zu klein für die schnell wachsende jüdische Gemeinschaft geworden war, wurde zwischen 1912 und 1916 die Synagoge im Stil des Neoklassizismus hier in dieser Straße erbaut. Die Fassade ist aus Muschelkalkstein. Der Kuppelbau des Gebäudes ist 30 Meter hoch. Die Synagoge bot Platz für 512 Männer und auf der Galerie für 332 Frauen. 

M: In seiner Größe und Erhabenheit stand das neue Gotteshaus für die Gleichstellung der Jüdinnen und Juden in der Offenbacher Gesellschaft. Bei der Eröffnung bezeichnete sie der Gemeinde-Vorsteher als „Heraustreten aus dem Schatten ins Sonnenlicht“.

F: In der Progromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 schändeten die Nazis die Synagoge. Sie legten ein Feuer, das einen großen Teil der Inneneinrichtung sowie religiöse Symbole vernichtete. Sie achteten aber darauf, dass die repräsentative Außenhülle nicht beschädigt wurde. 

M: Nur einen Monat später musste die jüdische Gemeinde das Gebäude verkaufen. 1940 wurde in den ehrwürdigen Gemäuern das National-Theater eröffnet. Alles weist darauf hin, dass die Zweckentfremdung der Synagoge von den Nazis geplant war. 

F: Nach dem Krieg zählte die jüdische Gemeinde nur noch 18 Mitglieder. 1959 errichtete sie schräg gegenüber in der Kaiserstraße eine kleinere Synagoge, die erste in Hessen nach dem 2. Weltkrieg. Die jüdische Gemeinde feiert dort noch heute ihre Gottesdienste. 

M: Die von den Nazis entweihte Synagoge ging 1954 endgültig in den Besitz der Stadt über – das Haus wurde später in ein Musicaltheater verwandelt. Von 1995 bis 1996 feierte das Haus große Erfolge mit dem Musical „Tommy“ von The Who. Ging aber dennoch pleite.

F: 1998 wurde das Capitol unter neuer Regie eröffnet.

 

Foto 1: © Dagmar Trüpschuch
Foto 2: ©  Haus der Stadtgeschichte