Station: [6] Zeitzeugenbericht Anni Pauk
Die Ungarin Anni Pauk war eine jüdische Musikerin aus Budapest, die als KZ-Häftling nach Sömmerda kam und ihren Einsatz als Zwangsarbeiterin im Werk überlebte. 1978 schrieb sie in deutscher Sprache ihre Erlebnisse auf:
In Sömmerda haben wir 12 Stunden Arbeit gehabt, eine Woche Tagschicht, in der anderen Woche Nachtschicht. Sonntag waren wir von Arbeit frei, aber den ganzen Tag mussten wir entweder Zählappell stehen oder Lager sauber machen etc.
Abends sind wir immer todmüde in unsere Betten gefallen, das waren Holzbetten, dreistöckig.
Ich wohnte unten und hatte erst etwa fünf bis sechs Bretter in meinem Bett. Aber die Frauen, die Stubendienst im Lager gemacht haben, die haben die Möglichkeit gehabt, im einzigen Ofen einzuheizen und langsam haben Sie meine Bretter alle verbrannt, so habe ich in meinem Bett nur drei Bretter gehabt, und wenn ich mich ein wenig bewegt habe, war ich schon auf der Erde, welche immer nass war. So habe ich mir einen sehr sehr großen Rheumatismus verschafft.
Viele Frauen sind gestorben, einige an verschiedenen Krankheiten, einige einfach wegen Unterernährung. Die traurigsten waren aber die Frauen, welche schwanger waren. Noch in Auschwitz hat man gesagt, die Frauen sollen sich melden, welche schwanger sind. Einige haben sich gemeldet, man hat diese sofort vergast. Einige haben kein Wort gesagt, sogar ihre Schwangerschaft versteckt. In Sömmerda ist dann ein Kind auf die Welt gekommen. Und vier oder fünf Frauen konnten nicht mehr verstecken, dass sie schwanger sind. Alle hat man einwaggonniert und nach Auschwitz zurückgebracht. Das Kind, welches in Sömmerda geboren ist, hat man nach ein paar Tagen mit einer Giftinjektion totgemacht.
Im Werk in Sömmerda haben wir einige gute, und viele sehr schlechte Erfahrungen gehabt. Ich habe Glück gehabt, dass man mich im Zünderbau als Arbeiterin angestellt hat. Meine Heimatleute waren fast alle im Laborierwerk, was die Hölle war in Sömmerda. Dort haben unsere Leute nur Grobheiten, und unmenschliche Behandlung erfahren...
Meister Kummer war der einzige, der wirklich menschlich war...
Unsere SS-Soldaten waren verschieden. Der Lagerführer war sehr streng, in der ersten Zeit war er auch sehr grob, später aber nur streng, aber gerecht.
Der richtige Lagerführer war ein Obersturmführer... Er war ein Schwein.
Wir hatten einige sehr brutale Soldaten ... Aber ich kann Ihnen sagen, die Aufseherinnen, die Soldatenfrauen, waren viel, viel schlimmer wie die Männer. Sie waren alle vollkommen begeistert von Hitler und sie haben alles getan, dass wir bald sterben sollen.
Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Sigmar Radestock