Station: [5] Laborierwerk
Das große Gebäude - das Laborierwerk - aus dem Jahr 1916 befindet sich heute in Privatbesitz. Zu DDR-Zeiten stellte das Büromaschinenwerk hier in den 1970er-Jahren Jahren Konsumgüter wie Radios und Küchengeräte her.
Während des Zweiten Weltkriegs war das Laborierwerk Schauplatz des schlimmsten Kapitels der Unternehmensgeschichte.
Hier arbeiteten ab September 1944 jüdische Frauen meist ungarischer Herkunft als Zwangsarbeiterinnen.
Die Werksleitung hatte sich im Sommer 1944 an die SS gewandt, da sie weitere Arbeitskräfte benötigte, um die Rüstungsproduktion aufrecht zu halten. Wenige Wochen später wurden knapp 1.300 ungarische Frauen jüdischer Herkunft aus dem KZ-Außenlager Gelsenkirchen-Horst in das Außenlager Sömmerda des KZ'-Buchenwald gebracht. Die Frauen gehörten zu den etwa 437.000 Jüdinnen und Juden, die nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Nur durch die Einteilung als Zwangsarbeiterinnen konnten die jüdischen Frauen der sofortigen Ermordung durch die SS entgehen.
Das KZ Buchenwald war etwa 20 Kilometer von Sömmerda entfernt. Es hatte die Aufgabe, Häftlingstransporte aus anderen Lagern, wie im Fall der jüdischen Frauen aus Auschwitz-Birkenau, im Reichsgebiet auf Außenkommandos zur Zwangsarbeit zu verteilen.
Die Frauen wurden in Sömmerda in einem 1942 für Ostarbeiterinnen und –arbeiter errichteten Barackenlager menschenunwürdig, unter schlimmsten hygienischen Bedingungen, untergebracht. Bewacht von SS-Einheiten gingen sie jeden Tag den 3 Kilometer langen Weg durch die Stadt in die Rüstungsfabrik. Im Laborierwerk mussten die Frauen in 12 Stunden Schichten hochexplosive Stoffe mischen und in die Zünder füllen. Eine besonders gesundheitsschädliche und vor allem lebensgefährliche Arbeit.
Auch als der Krieg kurz vor dem Ende stand, war das Martyrium der Frauen noch nicht vorbei. Am 4. April, rund 6 Wochen vor Kriegsende löste die SS das Außenlager Sömmerda endgültig auf. Die jüdischen Frauen wurden zu einem mehrwöchigen brutalen Todesmarsch zu Fuß durch die Region getrieben, auf der Flucht vor den näher rückenden amerikanischen Truppen und der Sowjetarmee. Wer nicht mithalten konnte, wurde erschossen. Überlebende schilderten den Todesmarsch im Nachhinein "als das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte". An das Leid dieser jüdischen Frauen erinnert die Stadt Sömmerda alljährlich mit einer Kranzniederlegung an dem Denkmal für die Opfer der Todesmärsche am Parkweg.
In der folgende Station berichtet die jüdische Ungarin Anni Pauk als Zeitzeugin von ihrem Leben als KZ-Häftling und Zwangsarbeiterin im Werk in Sömmerda.
Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Sigmar Radestock