Station: [22] Heinrich Ehrhardt


Heinrich Ehrhardt war gelernter Schmied und genialer Erfinder, freier Ingenieur und erfolgreicher Unternehmer. Ein Multitalent, dem der Industriestandort Sömmerda seinen erneuten Aufschwung zum Beginn des 20 Jahrhunderts verdankt. 

Bereits als junger Lehrling zeigte sich Erhardts Interesse für Waffen. In seinem Lehrbetrieb in Benshausen in Thüringen entwickelte er eine Maschine zur Herstellung von speziellen Holzschrauben, die man bei der Fabrikation von Gewehren brauchte. Ehrhardts Leidenschaft für die Waffenherstellung führte ihn als 18-jähriger Mitte des 19. Jahrhunderts nach Sömmerda in die Dreysesche  Gewehrfabrik. Hier arbeitete er rund vier Jahre lang. 

Heinrich Ehrhardt wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann, der im Laufe seiner Karriere 128 Patente anmeldete und zahlreiche Firmen gründete. Er leitete bis 1920 die Rheinischen Metallwaaren und Maschinenfabrik AG in Düsseldorf, die zur Umsetzung Ehrhardts patentierten „Loch-Preßverfahrens“ für die Munitionsherstellung gegründet wurde. Mit der Rheinmetall entwickelte Ehrhardt ein Verfahren zur Herstellung von Kanonenrohren ganz ohne Schweißnaht, indem ein Metalldorn durch ein massives Stahlstück getrieben wurde. Seine Patente trieben die Konstruktion von Kanonen maßgeblich voran. Der revolutionäre Mechanismus, der das Geschützrohr auf Gleitschienen lagerte und so den Rückstoß beim Schuss abfederte, wurde zum Standard beim Bau von Kanonen und schweren Geschützen. 

Ende des 19. Jahrhunderts gelang es Erhardt einen Auftrag von enormen Ausmaß zu gewinnen: Das Osmanische Reich bestellte bei der Rheinmetall Zündmittel für Artilleriegeschosse in großen Mengen. Um den Auftrag zu bewältigen kaufte Erhardt das darniederliegende Dreysesche  Unternehmen, um in den hiesigen Werkshallen die Produktion aufzunehmen.

Damit wiederholt sich die Industriegeschichte Sömmerdas im neuen Gewand: Die ehemalige Dreysesche  Gewehrfabrik wächst als Werk der Rheinischen Metallwaaren und Maschinenfabrik AG, später der Rheinmetall AG, erneut zu einem erfolgreichen Rüstungsunternehmen heran. Wieder bringen kriegerische Auseinandersetzungen Rüstungsaufträge, und damit Arbeitsplätze und Wachstum, nach Sömmerda. Auch in die Entwicklung und Produktion neuer Kleinfeuerwaffen steigt man erneut ein. Unter der Führung von Heinrich Ehrhardt produziert die Rheinmetall in Sömmerda Selbstladepistolen und Maschinengewehre für das Militär.

Im Ersten Weltkriegs zählt die Rheinmetall AG zu Deutschlands größten Rüstungsbetrieben. In Sömmerda baute man das Rheinmetall-Werk erheblich aus, um die Rüstungsaufträge zu bewältigen. Munition, Zünder und Waffen wurden ab Oktober 1914 rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche produziert. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf 10.000. Die Arbeiter der Rheinmetall waren vom Kriegsdienst befreit. Soldaten, die bereits im Feld waren, holte man zurück. Auch Frauen arbeiteten jetzt in großer Zahl in der Fabrik und zudem wurden Kriegsgefangene Franzosen und Russen zur Arbeit im Werk eingesetzt.

Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Sigmar Radestock