Station: [2] Göttelbriefzimmer
M: Hier hängt ja alles voller buntbemalter Zettel. Sind das Mandalas oder so was?
F: Sieht fast so aus, weil die ziemlich sorgfältig, aber auch ein bisschen ungeschickt bemalt sind. Wirklich ein bisschen wie Ausmalbilder.
M: Und viele von ihnen sind irgendwie auch symmetrisch und haben immer wieder dieselben Muster, eben wie Mandalas.
F: Aber es sind Göttelbriefe. Also Briefe, die die Babys früher zur Geburt geschenkt bekommen haben. Von ihren Taufpaten, den Getteln oder Pfedderi. Also, eigentlich waren diese Göttelbriefe eher das Einwickelpapier für die Geschenke. Denn wenn ein Baby geboren wurde, bekam es Geld geschenkt, ein paar Münzen. Und die wurden dann in diese Göttelbriefe eingewickelt.
Und damit das Einwickelpapier nicht nur schön ist, sondern auch noch einen Sinn macht, haben die Menschen besondere Sprüche draufgeschrieben, gute Wünsche und so.
M: Zum Beispiel bei dem hier, der über der Tür hängt, und den du auf deinem Bildschirm siehst:
In Gottes Namen bist du getauft
Durch Christus bist du gar teuer erkauft
Der Heilige Geist das genaten Hand
Bewahre dich von Sind und Schand.
Aber das ist ja alles falsch geschrieben: „Name“ mit 2 M und „getauft“ mit 2 F und so.
Und was soll denn bitte „Das genaten Hand“ und „Sind und Schand“ bedeuten?
F: Vielleicht „die gnädige Hand“ und „Sünde und Schande“ oder so? Ich denke, weil die Briefe schon ziemlich alt sind, verstehen wir sie nicht mehr richtig. Damals haben die Leute eben anders geschrieben und andere Sachen gesagt. Schau mal, unten in dem blauen Herz steht ja auch eine Jahreszahl: 1819.
M: Dann ist dieser Zettel also über 200 Jahre alt?
F: Sieht ganz so aus. Und er gehörte – das steht kurz darüber – „Johann Georg“.
M: Mensch, wer weiß, was aus diesem Johann Georg geworden ist! Ob der ein langes und gutes Leben gehabt hat? Damals sind doch ganz viele Kinder schon ganz jung gestorben. Wahrscheinlich ist deswegen auch – ganz oben auf dem Göttelbrief – so ein Kreis mit einem Auge drin. Das ist bestimmt das Auge vom Lieben Gott und es zeigt, dass Gott alles sieht, was unten auf der Erde los ist…
F: … und dass er Johann Georg bestimmt beschützt hat… vor 200 Jahren.
M: Hoffentlich! Einen schönen Göttelbrief hatte er jedenfalls, der Kleine.
Alle Fotos: © Heimatmuseum Neuried