Station: [38] Mühlen-Getreidesäcke
M: Die hohen, schmalen Getreide- und Mehlsäcke waren kleine Kunstwerke und echte Statussymbole!
F: Mit ihnen trug man sein Getreide zur Mühle und nahm das frisch gemahlene Mehl auch gleich wieder mit. Daher waren sie robust und sehr eng gewebt – selbstverständlich aus dem heimischen Hanf!
M: Die Säcke waren Teil der Aussteuer und hielten ein Leben lang. Dementsprechend gut passte man auf sie auf. Um Verwechslungen vorzubeugen – und um seinen Reichtum zu zeigen – waren sie individuell gekennzeichnet: mit dem Namen des Besitzers, seinem Dorf und stilisierten Ornamenten. Besaß man besonders viel dieser Fruchtsäcke, nummerierte man sie auch gerne.
F: Die ältesten erhaltenen Säcke stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Und über die Jahrzehnte bildeten sich in den einzelnen Dörfern spezifische Gestaltungsmuster heraus: Altenheimer Bauern verzierten ihre Fruchtsäcke gern mit einer kurzen Blattranke, die in fünfblättrige Rosen auslief. Die Ichenheimer Ranke war weitaus länger und pompöser. Und in Müllen begnügte man sich mit fünf stilisierten Blüten.
M: Auch der Beruf des Inhabers konnte festgehalten werden: Dass Karl Zimpfer im Hauptberuf Bäcker war, erkennt man sofort!
F: Sicherlich steckte auch eine gewisse Symbolik hinter den Bemalungen: Blumen und Ranken deuteten beispielsweise auf Fruchtbarkeit und Wohlstand, Herzen auf Frieden. Die Ehefrauen der Landwirte sind übrigens allenfalls durch ihre Initialen vertreten. So hatte David Büttner, dessen prächtigen, zweifarbigen Fruchtsack Sie unten rechts sehen, eine Marie Ursula Roth geheiratet. Darauf verweisen die Buchstaben M – U – R unter dem Namen ihres Mannes.
M: Mitte des 20. Jahrhunderts, mit der Industrialisierung der Landwirtschaft, verschwanden die Fruchtsäcke aus dem Alltag der Menschen und sind heute nur noch Dekorationsobjekte.
Fotos: © Heimatmuseum Neuried