Station: [32] Der Kelsch
F: Rot, Weiß und Blau waren die Farben der traditionellen Leinenstoffe im Ried – eine eher begrenzte Palette, aber dafür ein großer Reichtum an Mustern!
M: An diesem „Kelsch“ genannten Stoff ließ sich auch der Wohlstand eines Haushalts ablesen: Je mehr und je intensivere Farben er aufwies, desto besser situiert dessen Besitzer.
F: Die ersten Ballen bekamen die Heranwachsenden bereits zur Konfirmation geschenkt. Einige Jahre später, kurz vor der Hochzeit, wurden die Stoffe dann einem Schneider oder einer Schneiderin übergeben, die daraus Kleidung und Bettwäsche fertigten. Oft übernahm auch eine Nachbarin oder Bekannte, die des Nähens kundig war, diese Aufgabe und genoss dafür freie Mahlzeiten für die Zeit ihrer Arbeit.
M: Doch es galt, die Augen offen zu halten. Denn Kelsch war nicht gleich Kelsch! Kleidungsstücke wie die Kuttelhemden im Bauernschrank, wurden in der Regel aus unterschiedlichen Stoffqualitäten gefertigt: das Brustteil und die Ärmel aus feinerem, das nicht sichtbare Rückenteil aus gröberem Leinen…
F: … und die Puffärmel gar aus dem feinsten Flachsleinen! Beim Herstellen der Hemden wurde wenig zugeschnitten, um die Webkanten nicht zu verletzen. Man raffte die bestehende Webkante einfach in filigranen, feinen Falten zusammen, das schonte den Stoff und eröffnete zudem die Möglichkeit, die Kleidungsstücke im Laufe des Lebens zu überarbeiten, sie enger oder weiter zu machen. Denn der in mühsamer Handarbeit hergestellte Kelsch war von einer Qualität, die gut und gerne ein paar Jahrzehnte überdauerte!
M: Dennoch verschwand der Hanfanbau irgendwann aus dem Ried. Sisal- und Baumwollimporte aus den Kolonien machten ihn unwirtschaftlich. Schon um 1880 hatte die Tabakproduktion ihn überrundet. Ihr widmen wir uns im letzten Raum unseres Rundgangs: der Scheune.
Fotos: © Heimatmuseum Neuried