Station: [20] Hochzeitsbräuche: Bettschaue, Hochzeitsschrank
Alte Frau 1: Ach herrje! Jetzt hab ich schon wieder den Tee verschüttet. Früher wäre uns das nicht passiert, was, Lien?
Alte Frau 2: Ach, früher, Dien! Früher… als wir noch junge Dinger waren… und herumgehüpft sind wie die jungen Küken…
Alte Frau 1: Und wie du damals meine Brautführerin warst, als ich den Hans geheiratet hab, weißt du noch?
Alte Frau 2: Wie wir herumgezogen sind, ein paar Tage vor Deiner Hochzeit, um die Gäste einzuladen…
Beide im Wechsel: Ihr seid höflich, höflich eingeladen
Am Dienstag zur Hochzeit zu kommen
Es täte uns freuen, wenn ihr alle, alle kommen würdet
Alte Frau 1: Genau so musste man es sagen, und kein bisschen anders! Ach, Lien, das waren Zeiten!
Alte Frau 2: Und dann, am Hochzeitstag, nach der Trauung, als die ganzen alten Bäsle zur Bettschaue gekommen sind… und deine Aussteuer begutachtet haben… mit „lass mal sehen“ und „Aha!“ und „Oho!“ und: „wirklich gute Qualität“.
Alte Frau 1: Und alle Schränke geöffnet haben und nachgeschaut haben, ob auch alles ordentlich einsortiert ist. Und ob auch alle Kelsche fehlerfrei gewebt sind und die Garne fein genug gesponnen und so weiter und so weiter.
Alte Frau 2: Na, zum Glück hatte ja niemand etwas zu beanstanden. Nicht einmal, als du alle Laken doppelt gelegt hast, damit sie nach mehr ausschauen!
Alte Frau 1: Ja, aber so haben es doch alle gemacht! Und schließlich wollte ich mich ja nicht meinen ganzen Hochzeitstag lang mit der Bettschaue aufhalten.
Wir wollten doch schnell wieder runter auf die Straße, wo schon gesungen und gelacht und gefeiert wurde.
Alte Frau 2: Und wo die Leute lachend und schunkelnd durchs Dorf gezogen sind.
Es blüh‘n auf allen Wegen die schönen viel schöne Blümelein, wir ziehn hinaus zum Wandern, geschieden muss es sein. Wir ziehn ins Badnerland, ins schöne Heimatland. Dich will ich lieben bis in den Tod. Wir ziehn ins Badnerland, ins schöne Heimatland. Dich will ich lieben bis in den Tod.
Alte Frau 1: Ach, mein Brautkranz aus Myrthen, den haben der Hans und ich noch jahrzehntelang in der Vitrine in der Guten Stube aufbewahrt, zur Erinnerung.
Alte Frau 2: Ja, zur Erinnerung. Denn früher war es doch so schön!
Fotos: © Heimatmuseum Neuried