Station: [17] Kirche: Albert Schweitzer und die neue Orgel
M: Im Jahr 1952 war die neue Kirche fast fertiggestellt, aber das Wichtigste fehlte immer noch: die Orgel! Doch wen sollte man fragen? Woher die Expertise nehmen? Christine Duchilio genannt „Lütze Dine“ aus Altenheim war mit einer engen Verwandten des ehemaligen Straßburger Organisten befreundet, der mittlerweile den Job gewechselt hatte und ausgewandert war: Albert Schweitzer.
So wandte Pfarrer Volz sich im April 1952 an den weltberühmten „Urwaldarzt“ in Lambarene mit der Bitte um Beratung. Der antwortete prompt:
Schweitzer: Lieber Herr Pfarrer! Gerne berate ich Sie und den Kirchengemeinderat in Sachen der Anschaffung einer gediegenen und „dauerhaften“ Orgel. … Ich kenne Altenheim aus meiner Studentenzeit.
Aber die Orgeldisposition der neuesten Orgelmode entsprechend, würde ich ihnen nicht empfehlen. Da ist zu viel Gebimbel drin, was sich für einen Kirchenraum mit flacher Decke, wie es der Ihre ist, gar nicht eignet.
Ja kein Tremulant. Wenn ich schon nicht ausstehen kann, dass eine Sängerin tremoliert, noch viel weniger, dass es eine Orgel tut. In der Mitte des 19. Jahrhunderts kam man glücklicherweise vom Tremulanten ab.
Also, der Herr Steinmeyer soll Ihnen eine gediegene Orgel erstellen, wie er sie früher baute. Denn wenn ich noch am Leben bin, komme ich sie einmal spielen und man macht eine Sammlung, bei der etwas Namhaftes für die Orgelbaukosten eingeht. Aber auf einer modernen Gebimbelorgel spiele ich nicht. –
Wenn Sie diesen Brief dem Herrn Steinmeyer schicken, dann seufzt er: Ja, dieser Dickkopf, der Herr Schweitzer! Dass uns gerade der da in die Sache mit der Altenheimer Orgel hineinpfuscht! Aber er weiß, dass dieser Dickkopf die Orgeln Europas und Amerikas kennt wie kaum ein zweiter, und dass er etwas von der Sache versteht, mehr als solche, die diesen großen Überblick über Orgeln nicht haben. Und er weiß, dass ich sage: Das Wichtigste an der Orgel ist der schöne, volle, weiche Ton und nicht, dass sie der Mode entspricht. Grüßen Sie ihn bestens von mir.
M: Als Albert Schweitzers Brief in Altenheim eintraf, war die Entscheidung doch bereits gefallen: Altenheim bekam eine moderne, eine „Gebimbelorgel“, und Albert Schweitzer hat sein Konzert in Altenheim nie gegeben. Wie schade!
Fotos: © Heimatmuseum Neuried