Station: [16] Das Tiele-Winckler-Haus und die Diakonissen des „Friedenshort“


Vis à vis zum Nordflügel der Abtei, hinter dem Taubenturm, liegt ein zweistöckiges Gebäude, das sich deutlich vom historischen Baubestand unterscheidet: Das Tiele-Winckler-Haus stammt aus den 1980er Jahren und erinnert an ein wichtiges Kapitel der Heiligengraber Nachkriegsgeschichte:

Nach dem Abzug der Roten Armee aus Heiligengrabe im Sommer 1946 bezogen die Diakonissen des „Friedenshort“ das Stiftsgebäude. Die Schwesternschaft war 1890 in Oberschlesien gegründet worden und widmete sich der Arbeit an heimatlosen Kindern und Jugendlichen, alten Menschen und Menschen mit Behinderung. Nach den Vertreibungen der Nachkriegszeit suchten die Diakonissen eine neue Bleibe für sich und ihre Schützlinge und fanden diese schließlich im Kloster Heiligengrabe.

Ende 1946 lebten schon etwa 90 Personen auf dem Stiftsgelände. Die Diakonissen des Friedenshort boten nicht nur hilfsbedürftigen Kindern Unterstützung – sie richteten auch ein Erzieherinnenseminar ein, das junge Frauen auf ein Arbeitsleben in evangelischen Heimen und Kindergärten vorbereitete.

Anfang der 1990er Jahre, als das Stift mit seinen umfangreichen Sanierungsarbeiten begann, verließ die Schwesternschaft die Abtei und bezog eigene Gebäude, die vom Friedenshort auf den ehemaligen Streuobstwiesen hinter der Klostermauer des Stifts erbaut worden waren. Das Tiele-Winckler-Haus, das bis dahin als Wohnhaus für die Diakonissen gedient hatte, wurde jetzt nur noch im Erdgeschoss genutzt, wo man in einem großen Gemeinschaftsraum mit angeschlossener Küche die gemeinsamen Mahlzeiten einnahm. 

Noch heute – sieben Jahrzehnte nach der Ankunft der ersten Diakonissen – leistet die Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort sozial-diakonische Arbeit in Heiligengrabe und betreut Menschen mit unterschiedlichem Hilfe- und Assistenzbedarf. Diakonissen gibt es vor Ort allerdings keine mehr: Erst vor wenigen Jahren zogen die letzten, inzwischen hoch betagten Schwestern von Heiligengrabe in die Zentrale der Stiftung, ins nordrhein-westfälische Freudenberg.

Abbildung 1 © Sarah Romeyke
Abbildung 2 © Klosterstift zum Heiligengrabe