Station: [3] Grabstein des Annaius Daverzus


F: Fast lebensgroß steht er vor uns: Annaius Daverzus.

M: Also natürlich nicht ich selbst. Nur mein Grabstein mit der Darstellung von mir. Dafür, dass meine Grabstele fast 2.000 Jahre alt ist, sieht sie fast tadellos aus – nur die schillernden Farben sind verblasst und abgewaschen. 

F: Ähm, darf ich jetzt bitte weitererzählen?

M: Ego veniam! Entschuldige bitte!

F: Wie schon erwähnt, starb unser Annaius Daverzus vor rund 2.000 Jahren. Womöglich bei einem Angriff der Germanen ... Gedient hat er in der vierten Kohorte der Delmater … Delmater? 

M: … ja, ein Hinweis auf meine Herkunft. Ich stamme aus jener römischen Provinz, die heute unter dem Namen Kroatien bekannt ist. Wir sind eine Kohorte von Bogenschützen, sogenannte Auxiliare – also Hilfstruppen bestehend aus ausländischen Kämpfern. Wir unterstützen die römischen Legionäre und erledigen wichtige Sicherungs- und Angriffsaufgaben. Oft haben wir besondere Fähigkeiten: als Schleuderer, Reiter oder eben Bogenschützen. 

F: Entdeckt wurde die Grabstele im Jahr 1859 nahe Bingerbrück, zusammen mit anderen Grabsteinen römischer Soldaten. Sie alle waren am Rhein und vielleicht auch an der Nahe stationiert. Gemäß römischer Sitte wurden die Grabmäler auf Friedhöfen entlang der Ausfallstraße aufgestellt – in diesem Fall an einer Heerstraße entlang des Rheins, in Richtung der damaligen Grenze zu den Germanen.   

M: Ist das nicht fantastisch! Selbst das kleinste Detail kann man auf meinem Grabstein erkennen! Also, da hat sich der Steinmetz selbst übertroffen. Wie ich da so in einer Nische stehe, bekrönt von einem Baldachin ... Natürlich trage ich eine knielange römische Tunika, eine Art Hemdkleid, darüber einen Soldatenmantel. Mein fein gearbeiteter Gürtel schlingt sich zwei Mal um meine Hüften. Daran hängt auf der rechten Seite ein Kurzschwert, ein sogenanntes Gladius. Und auf der linken Seite erkennt man einen Dolch. Gut, dass ich den Grabstein schon lange vor meinem Tod in Auftrag gegeben hatte. So konnte der Steinmetz ihn sorgfältig anfertigen. Nur die Inschrift musste er ergänzen, als es dann so weit war.

F: In der rechten Hand hält unser Annaius Daverzus zwei Lanzen, mit der linken greift er nach seinem Schild. Machst du dich gerade für den Kampf bereit, vielleicht gegen die aufsässigen Germanen? Zumindest sieht es aus, als würdest du gleich losmarschieren wollen. 

M: Wer weiß, die Germanen waren ja eine ständige Bedrohung für das Imperium. Ich hatte gehofft, durch meinen Militärdienst das römische Bürgerrecht zu erlangen. Das hätte Freiheit und Sicherheit bedeutet, für mich und meine Nachfahren. Fast die Hälfte meines Lebens habe ich im Namen des römischen Kaisers gekämpft. 15 Dienstjahre hatte ich geleistet, bevor ich mit 36 Jahren starb. Zum römischen Bürgerrecht hat es mir trotzdem nicht gereicht. Das erlangt man erst nach 25 Dienstjahren. Verdammt! 

 

Foto: © Römerhalle Bad Kreuznach