Station: [102] Ruine der Toten – Gräber der Merowinger-Zeit


F: Im Jahr 270 überrannten germanische Alemannen die Rheingrenze und verwüsteten die Provinz Germania Superior. In dieser Phase wurde die Palast-Villa zu einer Befestigungsanlage, einer sogenannten burgos, ausgebaut. Erst in der Spätzeit des Römischen Reiches wurde sie schließlich aufgegeben.

M: Mehr als 200 Jahre lang wuchs im wahrsten Sinne des Wortes „Gras über die Sache“. Im 6. und 7. Jahrhundert sollte die mächtige und noch gut sichtbare Ruine eine neue Bedeutung erlangen. Sie wurde zu einem Ort der Toten. Und das kam so:

F: Das Jahr 476 nach Christus markiert einen Wendepunkt. Das Römische Imperium war geteilt worden – in ein oströmisches Reich und ein weströmisches. In dieses weströmische Reich drangen die Hunnen ein, viele Germanen flüchteten und ließen sich auf römischem Territorium nieder. Es entstand ein ungewöhnliches Bündnis: Römer und Germanen schlossen sich zusammen. Doch selbst vereinte Kräfte reichten nicht aus, um die Hunnen zurückzudrängen.

M: Das Römische Imperium hatte längst an Macht und Glanz verloren – und das merkten nicht nur die Feinde, sondern am Ende auch die Verbündeten.

F: Nun schlug die Stunde der Franken – einer der germanischen Großstämme. Sie nutzten das Machtvakuum geschickt aus und errichteten ein eigenes Reich. 482 wurde ein gewisser Chlodwig I. zum „König aller Franken“ gewählt – und damit zum Alleinherrscher. Er gehörte einem bestimmten Königsgeschlecht an: den Merowingern, benannt nach dem Ahnherren Merowech. Diese Familie herrschte rund 300 Jahre lang und gab diesem Zeitalter seinen Namen.

M: Vielleicht fragen Sie sich: Was hat DAS DENN BITTE mit unserer römischen Palast-Villa zu tun? Im 6. und 7. Jahrhundert nutzten genau jene Merowinger dieses Areal hier als Friedhof. Nun könnte man sich fragen, warum die Merowinger die Villa nicht einfach wieder in Stand setzten und selbst bewohnten?

F: Die Höfe der frühen Franken waren auf dem Land verstreut und in der Regel aus Holz erbaut. Als „Naturgläubige“ war ihnen eine derart große Gebäudeanlage aus Stein wohl eher suspekt. Allerdings blieb ihnen die besondere Aura dieses Ortes nicht verborgen, und daher wählten sie ihn als Begräbnisort.

M: Bei Ausgrabungen kamen drei Gräber zum Vorschein. Eines der gefundenen Gräber war besonders gut erhalten. Der Verstorbene war mit dem Kopf gen Westen bestattet worden. An seinem rechten Oberschenkel trug er ein sogenanntes Sax, eine einschneidige Hiebwaffe. Nicht weit von Bad Kreuznach, bei Planig, wurde zudem ein prächtiges Fürstengrab entdeckt. Der Ort war also ein wichtiges fränkisches Machtzentrum.

 

Foto: © Römerhalle Bad Kreuznach