Station: [19] Luthers Sendbrief vom Dolmetschen


Was macht einen guten Übersetzer aus? Worauf kommt es an und was ist bei der Wahl der Worte zu beachten?

Der wohl berühmteste deutsche Übersetzer erklärt in diesem Büchlein seine Prinzipien: Im Jahr 1530 veröffentlicht Martin Luther seinen „Sendbrief vom Dolmetschen“. 

Seit seinem erzwungenen Aufenthalt auf der Wartburg und dem Beginn seiner Bibelübersetzung ist kein Jahrzehnt vergangen, die Übersetzung des Neuen Testaments ist veröffentlicht, die des Alten Testaments noch nicht. Da gestattet Luther einen tiefen Blick in seine Übersetzungskunst.

Er wettert – natürlich! – gegen die Papisten, erläutert dann jedoch wortgewaltig seine Grundsätze: Man müsse „dem Volk aufs Maul schauen“. Oder in den Worten von 1530:

… den man mus nicht die buchstaben inn der lateinischen Sprachen fragen, wie man sol Deutsch reden, wie diese esel thun, sondern, mann mus die mutter im hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen mann auff dem Marckt drumb fragen, und den selbigen auff das maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen, so verstehen sie es den und mercken, das man Deutsch mit jn redet.

Es gehe also um die „Zielsprache“, wie heutige Übersetzer und Übersetzerinnen es nennen würden. Erst wenn der Text in der neuen Sprache so natürlich und verständlich wie nur möglich klingt, dann ist die Übersetzung geglückt. Noch einmal Luther:

denn ich habe deutsch, nicht lateinisch noch kriegisch reden wollen, als ich teutsch zu reden ym dolmetschen furgenomen hatte.

Dafür arbeitete Luther jahrelang an seinen Übersetzungen, studierte, probierte, verwarf und überarbeitete… bis irgendwann alles stimmte.

Die Mühe hatte sich gelohnt: Martin Luthers Deutsch war fortan die neue verbindliche Sprache… und seine Wortschöpfungen gehören bis heute zu unserem Alltag.

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Beide Zitate Luther: https://archive.org/details/p2werkekritischege30luth/page/636/mode/2up?view=theater, S. 637

Alle Abbildungen: © Bibelgalerie Meersburg