Station: [14] Der Schießbefehl
M: Mauern, Sperranlagen, Sprengminen – all das reichte der DDR-Führung noch nicht aus, um die innerdeutsche Grenze zu „schützen“. Deshalb wurden zusätzlich bewaffnete Grenzsoldaten eingesetzt. Deren Befehl war klar: Flüchtlinge müssen aufgehalten werden – mit allen Mitteln. Hierzu ein Zitat vom DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffman zum 5. Jahrestag des Mauerbaues 1966:
F: Lange Zeit stritt die DDR-Führung die Existenz eines solchen Schießbefehls ab. Dabei lässt er sich seit 1952 belegen. Allerdings darf man sich darunter keinen offiziellen Befehl vorstellen, der etwa persönlich von Walter Ulbricht oder Erich Honecker unterschrieben worden wäre.
M: Was es gab, waren eindeutige Richtlinien und Dienstvorschriften. Erst 1982 erhielt der Schusswaffeneinsatz mit dem sogenannten Grenzgesetz eine rechtliche Grundlage – was aber an der mörderischen Wirkung nichts änderte.
F: Zeitweilig wurde die Weisung zum Schusswaffeneinsatz von der DDR-Führung außer Kraft gesetzt. Aber nicht etwa aus humanitären Gründen! Geschossen wurde dann nicht, wenn die DDR sich um internationale Anerkennung bemühte – oder ein wichtiger Staatsbesuch anstand.
M: Das letzte Opfer, das an der Berliner Mauer erschossen wurde, war ein junger Mann. Gerade einmal 20 Jahre alt. Sein Name: Chris Gueffroy. Er sollte zur Nationalen Volksarmee eingezogen werden, doch Chris Gueffroy wollte weg, er träumte von einer Reise in die USA. Am 7. Februar 1989 versuchte er zusammen mit einem Freund nach West-Berlin zu fliehen. Er dachte, der Schießbefehl sei ausgesetzt. Immerhin war der schwedische Minister zu Besuch in der DDR. Chris Gueffroy wurde von zwei Kugeln getroffen und starb. Sein Freund wurde schwer verletzt festgenommen.
F: Erst Anfang April 1989 wurde die Anweisung zum Schusswaffengebrauch aufgehoben, zumindest inoffiziell. Man stelle sich das aber einmal vor: das passierte nicht etwa schriftlich, sondern durch eine mündliche Anweisung. Erich Honecker habe befohlen:
M: "Es darf nicht auf fliehende Menschen geschossen werden, wenn es keinen Schießbefehl gibt. (...) Es gilt zu beachten: Lieber einen Menschen abhauen lassen, als in der jetzigen politischen Situation die Schusswaffe anzuwenden."
F: Offiziell wurde der Schießbefehl erst nach den Ereignissen des Mauerfalls, nämlich am 21. Dezember 1989, aufgehoben.
Foto: © DDR-Museum Pforzheim