Station: [12] Die Grenzanlagen der DDR
F: Ein „antifaschistischer Schutzwall" sollte es sein. Rund 1.400 Kilometer lang, von der Ostsee bis ins Fichtelgebirge. Er trennte die DDR von der Bundesrepublik – und markierte zugleich die Teilung Europas in Ost und West. Seine tödliche Wirkung richtete der „Schutzwall“ aber vor allem in eine Richtung: hinein ins eigene Land, gegen die eigenen Bürger.
M: Wenn wir heutzutage an eine Grenze denken, was fällt uns dann ein?
F: Vielleicht verlassene Grenzhäuschen? Nutzlos gewordene Schlagbäume?
M: Die Grenzanlagen der DDR bestanden aus einem ausgeklügelten, mehrstufigen System. Die Anlagen wurden permanent ausgebaut und menschenverachtend perfektioniert. An der rechten Wand sehen Sie den schematischen Aufbau der Grenzanlagen.
F: Die eigentliche Staatsgrenze war nur durch Hinweisschilder oder einfache Grenzsäulen erkennbar. Hinter dem offiziellen Grenzverlauf gab es einen bis zu zehn Meter breiten Kontrollstreifen, der mit einem Zaun aus Stacheldraht abschloss. Daran schloss sich wiederum ein circa 500 Meter breiter, verminter „Schutzstreifen“ an – und schließlich eine Sperrzone von fünf Kilometern.
M: Kfz-Sperrgräben, Wachtürme, Hundelaufanlagen, Stolperdraht und vergrabene Landminen sollten die Grenzen unüberwindbar machen. Das wirklich Perfide waren aber die sogenannten Selbstschussanlagen. Im Fachjargon hieß die Vorrichtung SM 70. Die Abkürzung SM steht für Splittermine, die Zahl 70 für das Einführungsjahr 1970. Splitterminen wurden überall dort installiert, wo der Grenzverlauf unübersichtlich war, bis 1983 fand man sie auf einer Länge von rund 400 Kilometern.
F: Die Splitterminen befanden sich an einem Metallzaun und waren in drei verschiedenen Höhen angebracht. Der Minenkörper selbst bestand aus einem Aluminium-Blechkegel, er war mit Sprengstoff gefüllt und mit bis zu 150 kleinen Stahlstücken. Am Zaun liefen mehrere Drähte entlang. Wurde einer davon berührt, löste die Splittermine aus – und die kantigen Geschosse wurden in alle Richtungen geschleudert, und das bis zu 120 Meter weit. Gleichzeitig wurden die Grenztruppen alarmiert. Das Ministerium für Nationale Verteidigung schreibt dazu nüchtern:
M: „Die kinetische Energie der Splittermine reicht aus, um mit Sicherheit Personen unschädlich zu machen (...).“
F: Wie viele Menschen an der Grenze zu Tode kamen, lässt sich bis heute nicht genau beziffern. Die Angaben schwanken zwischen 790 und 1.300. Ab 1983 verpflichtete sich die DDR zum Abbau dieser menschenverachtenden Selbstschussanlagen. Das hatte zwei Gründe: Zum einen hatte die DDR 1975 die KSZE-Schlussakte von Helsinki unterzeichnet und zum anderen lockte die BRD mit einem milliardenschweren Kredit.
Foto: © DDR-Museum Pforzheim