Station: [13] HOEReographien


man sei so unvoreingenommen wie möglich; man nähere sich den dingen, als ware eben erst die welt erschaffen worden; man reflektiere eine sache nicht zu tode, sondern lasse sie, zwar behutsam, aber frei, sich entfalten.

man sei einfach, nicht dürftig (einfachheit ist ein großes wort); man sei lieber primitiv als verschnörkelt oder geschwollen; man sei nicht sentimental, aber man habe statt dessen geist. damit ist alles und nichts gesagt!

Oskar Schlemmer

Ausgehend von den systematischen Bühnen-Versuchen Oskar Schlemmers in den 1920er Jahren am Bauhaus, ging das THEATER DER KLÄNGE mit Figur und Klang im Raum ein Theater-Entwicklungsprojekt an, welches sich mit den „Bühnengesetzen“ von Darstellung, Raum und Klang beschäftigte.

Oskar Schlemmer hat sich am Dessauer Bauhaus insbesondere in den Jahren von 1925 bis 1928 systematisch mit einer „Grammatik der formalen Bühnenelemente“ beschäftigt, welche in mehrere kleine Bauhaus-Tänze mündete. Obwohl es zu den meisten Stücken Schlemmers eine Musik gab, wurde seinerzeit jedoch auf eine Erforschung der „Gesetze“ von Klang im (Theater-)Raum verzichtet, da sich kein kooperierender Komponist fand und Schlemmer selbst weder Komponist noch Sprachregisseur war.

Das THEATER DER KLÄNGE beschäftigte sich zunächst mit Schlemmers Theorien von „Mensch und Kunstfigur“ sowie „Figur im Raum“ und eignete sich die Ergebnisse seiner Theaterversuche zum Teil praktisch an. Parallel dazu wurde eine prototypische elektronische Installation von Mikrophonen, Lichtschranken und Ultra-schallsensoren, die der Komponist Thomas Neuhaus für das THEATER DER KLÄNGE entworfen hatte, in den Probenprozess integriert. Diese Installation ermöglichte eine direkte Steuerung von elektronischer Musik und Licht durch das akustische und bewegte Geschehen auf der Bühne, also durch die Darsteller selbst.

Ziel dieser Entwicklungsarbeit war eine polyphone, szenische Bühnenkomposition, welche das Thema „Figur, Klang und Bewegung im Raum“ reflektierte und zur Darstellung bringt.
Hintergrund dieser Arbeit war zum Einen die im Ensemble empfundene Notwendigkeit, die Arbeit Oskar Schlemmers nicht als Historikum stehen zu lassen, sondern weiterzutreiben, zum Anderen aber einen eigenen zeitspezifischen Umgang mit Theater zu finden, der sich in der Tradition der Bauhaus-Bühnenarbeiten versteht.

„Polyphone, szenische Bühnenkomposition“ meint dabei die zeitliche Gestaltung mehrschichtiger Abläufe im Theaterraum. Die verschiedensten Theaterelemente wie Licht, Klang, Bewegung, Farbe, Gestik und Mimik werden als Einzelparameter verstanden und so aufeinander bezogen komponiert, dass erst die Summe der Parameter das Theaterereignis in der Zeit schafft.

Das Stück entstand 1993 in Koproduktion mit der Stiftung Bauhaus Dessau. Es erwies sich, insbesondere durch den damals vergleichsweise hohen technischen Aufwand, als sehr schwerfällig in der Probenrealisation, weswegen das THEATER DER KLÄNGE diesen Weg zunächst für sieben Jahre nicht fortsetzte. Nichtsdestotrotz erlebte Figur und Klang im Raum insgesamt 32 Aufführungen in acht Städten im In- und Ausland und war in einer überarbeiteten Fassung zusammen mit dem Mechanischen Ballett von 1994 bis 1998 Bestandteil des Doppelprogramms Tanz am Bauhaus, welches ebenfalls Gastspiele in Belgien, Frankreich und Israel erlebte.

Im Jahr 2000 führten Überlegungen zur Wiederaufnahme von Figur und Klang im Raum zu einem Drei-Personen-Stück namens Manifest, welches über fünf Entwicklungsjahre hinweg über die Produktionen Megalopolis und Modul|a|t|o|r 2005 im interaktiv-intermedialen Forschungsprojekt PCI – HOEReographien mündete. Der entwickelte live-elektronisch-interaktiv-intermediale Ansatz wurde über HOEReographien und SUITE (2009) zur SUITE intermediale (2010) weiterentwickelt und war partiell Bestandteil von szenischer Interaktion in den späteren Stücken VANITAS (2012), CODA (2013) und vorläufig final in Das Lackballett (2018/19).

 

Sprecher: Clemente Fernandez

Editing: Fabian Bentrup

Mischung: J.U.Lensing