Station: [036] WOLS (1913 – 1951), Tiges, um 1946/47
Die Kunst des früh verstorbenen Alfred Otto Wolfgang Schulze alias WOLS steht wie kaum ein anderes Oeuvre des 20. Jahrhunderts für den engen Dialog zwischen deutschem und französischem Kunstschaffen. Der 1913 in Berlin geborene und 1933 nach Frankreich emigrierte Künstler wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Wegbereiter einer neuartigen Malerei anerkannt, die als „Informel“ die Kunst der 1950er und 60er Jahre in Europa revolutionierte. Der größte Teil seines Werks entstand in den Wirren der Kriegsjahre. Der Künstler verbrachte diese Zeit unter aufreibenden Umständen im französischen Exil, zeitweise sogar im Internierungslager. WOLS‘ Gemälde und Zeichnungen bekennen sich zum Zufall, zum Irrationalen und Unberechenbaren. Sie sind Sinnbilder einer Epoche, die von Unsicherheiten und Bedrohungen geprägt war. Von Beginn an bewegen sie sich an der Grenze zwischen ungegenständlicher Malerei und Surrealismus. Ab 1946 arbeitete WOLS in Öl auf Leinwand, wobei er ungewöhnliche Techniken verwendete. Dazu zählte das Verfahren der Grattage, also das Eingraben oder Einritzen von Linien in den feuchten Malgrund. Außerdem drückte er die runden Öffnungen von Farbtuben wie Stempel auf den bemalten Bildträger und zog in die frische Farbe Spuren. Die Titel seiner Werke sind meist erst nach seinem Tod vergeben worden und beruhen auf Assoziationen und annähernden Vergleichen mit der Wirklichkeit. Der Titel des Gemäldes „Tiges“ bedeutet auf Französisch so viel wie „Stengel“ oder auch „Stämme“. Bei näherem Hinsehen erkennt man wiederkehrende Kreisformen und Wirbel, die an Querschnitte von Baumstämmen erinnern.