Station: [028] Lyonel Feininger (1871 – 1956), Lüneburg, 1924


Im Jahr 1921 unternahm Lyonel Feininger, der zu dieser Zeit Dozent am Weimarer Bauhaus war, eine Reise nach Norddeutschland. In Lüneburg fertigte er Skizzen von Kirchen, Profanbauten und der dortigen Saline an. Nach seinen sogenannten „Natur-Notizen“ entstanden später Zeichnungen, Aquarelle, Holzschnitte und Ölgemälde, darunter auch das Werk „Lüneburg“ aus dem Jahr 1924. Das Motiv des Pfades in der rechten unteren Ecke der Darstellung bietet gleichsam den Einstieg in die Bildwelt. Dunkle Schemen in Olivgrün und Ocker rahmen das Zentrum der Stadtansicht, das in hellem Gelb und Orange erstrahlt. Der eigentümlich erleuchtete Raum erinnert an den Aufbau einer Theaterbühne. Aus einzelnen prismenförmigen Flächen zusammengefügt zeigt das Bild eine kristalline Struktur, die für Feiningers Malerei charakteristisch ist. Dieses Gestaltungsprinzip hatte sich bereits in seinem berühmten Holzschnitt „Kathedrale“ angekündigt, den Feininger 1919 als Titelbild für das folgenreiche Bauhaus-Manifest schuf. In dem Bild „Lüneburg“ sind die Farben in einzelnen punktförmigen Tupfen aufgetragen und zu transparenten Flächen zusammenfügt. Dadurch verliert die dargestellte Architektur an Substanz und Schwere, und das mittelalterliche Stadtbild erhält eine immateriell-geistige Qualität.