Station: [016] Albert Weisgerber (1878 – 1915), David und Goliath 1914
Das Gemälde von Albert Weisgerber hat eine der bekanntesten Geschichten des Alten Testaments zum Thema: Der junge Israelit David überwindet den Riesen Goliath aus dem gegnerischen Heer der Philister mit einer vermeintlich harmlosen Steinschleuder. Mit Besonnenheit und Gottvertrauen besiegt ein unbedarfter Jüngling im Zweikampf einen Gegner, der als unbesiegbar galt – und entscheidet so Schlacht und Krieg. In seinem Gemälde „David und Goliath“ legt Weisgerber besonderes Gewicht auf die kontrastierende Gestaltung der beiden Gegner und ihrer Sphären. Die Welt des Bildes ist hochdynamisch, doch weitgehend entwirklicht. Wie eine Schicksalsmacht ragt David über dem bodenlosen und abgründigen Ort des Geschehens auf. Mit dem schroffen farblichen und formalen Gegensatz zwischen den Protagonisten verbindet der Künstler jedoch keine eindeutige moralische Wertung: Trotz der schmalen und jungenhaften Gestalt wirkt David mit seinem düsteren Antlitz entschlossen und bedrohlich. Seine blicklosen Augen richten sich auf das Heer der Philister, das in der Ferne davonstiebt, wie auch auf den gefallenen Goliath, der zu kopfüber zu seinen Füßen liegt. In der Hand hält David das Schwert des Goliath. Ohnmächtig streckte der betäubte Riese seine rot glühenden Glieder in alle Himmelsrichtungen aus und erwartet seine Enthauptung. Albert Weisgerber malte das Bild 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Heute gilt es als eines seiner bedeutendsten Werke. Als Weisgerber im Herbst 1914 zum Kriegsdienst einberufen wurde, ließ er sich zum Abschied in kompletter Feldmontur vor diesem Bild in seinem Atelier fotografieren. Ob er vielleicht erwartete, dass das deutsche Heer an der Westfront ebenso schnell triumphieren würde wie David über Goliath? Es kam anders. Weisgerber fiel als Soldat mit nur 37 Jahren im Mai 1915 in Flandern. So endete der Weg in eine expressive, freiheitliche Bildauffassung, den er mit dieser kühnen Komposition eingeschlagen hatte.