Station: [24] Der Rodensteiner im Wandel der Gesellschaft
Im Lauf des 19. Jahrhundert durchlief die Gestalt des Rodensteiners mehrere faszinierende Wandlungen, die dem jeweiligen Zeitgeist entsprachen. Besonders nach dem Einfall Napoleons gab es ein Bedürfnis nach einem tapferen Kämpfer, dem der Rodensteiner Rechnung trug. So rettete er in einer Sage Wien vor dem osmanischen Heer, das die Kaiserstadt belagerte.
Die Zeit der Romantik bis Mitte des 19. Jahrhunderts liebte Ritter und Geistergeschichten, und der Rodensteiner mit seinem geisterhaften Wilden Heer bediente das Thema hervorragend. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich, war die Welt wieder in Ordnung und das deutsche Bürgertum entwickelte eine Leidenschaft fürs Wandern und Feiern. Die humoristisch-sarkastischen Trinklieder Joseph Victor Scheffels, der sich über den versoffenen Herrn von Rodenstein lustig machte, entsprachen diesem Bedürfnis. Die Lieder wurden in den deutschen Studentenschaften begeistert gesungen, denn auch sie waren dem Wein ja nicht abgeneigt. Auch das Militär und der Adel suchten nun Anlässe zum Feiern und gründeten die „Hohe Gesellschaft vom Rodensteyn“.
Gleichzeitig wurde der Rodensteiner zum Werbeträger für alle möglichen Produkte vom Kupferberg-Sekt bis zum Schnupftabak.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kehrte man wieder zum kämpferischen Rodensteiner zurück, der die Kaiser aus den Gruften des Speyerischen Doms zum Kampf rief. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Rodensteiner wieder die Rolle der Sagengestalt an, die er bis heute beibehalten hat.
Text: Claus Fittschen, ©, Rodensteinmuseum
Abbildungen:
1. Steindruck in: Rheinische Blätter, 1821:Rückkehr des Wilden Heeres, © Hess. Landesmuseum, mit Erlaubnis
2. Des Rodensteiners Pfändung, Thema aus Scheffels Lied „Die drei Dörfer“ und
3. Reklamepostkarte für den Sekt Kupferberg Gold von 1905. Beide Abb.: Sammlung J. Göttmann, Fränkisch-Crumbach, mit freundlicher Erlaubnis