Station: [2] Die feuerspeienden Katzen und der Schatz vom Rodenstein - Teil 2
Nun erreichte der Bauer das große Tor zum Innenhof der Burg. Da wurde es ihm auf einmal glutheiß am ganzen Körper. Denn eine zweite feuerspeiende Katze mit Krallen so lang wie Küchenmesser, noch größer und schrecklicher anzusehen als die erste, stellte sich ihm entgegen. Der Bauer dachte: „Das Untier ist stark und gefährlich – vielleicht sollte ich ihm den Spaten in den Rachen stoßen? Aber warum soll ich mein Leben aufs Spiel setzen?“ So ließ er stattdessen wieder das zauberkräftige Pfeifchen ertönen. Dieses Mal erschien aus der geisterhaften Nebelwand ein riesiger Hund mit Augen so groß wie Wagenräder. Der zerrte die Katze mit seinen scharfen Zähnen ins Gebüsch, und danach waren beide verschwunden.
Als der Bauer zum Mühlturm kam, glaubte er, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Denn eine dritte feuerspeiende Katze setzte zum Sprung auf ihn an. Sie war größer als ein Tiger und hatte Krallen so groß und lang wie Schlachtermesser. Der Bauer drohte zu verbrennen, konnte aber, in größter Not, noch zu dem Pfeifchen greifen. Da löste sich aus dem wallenden Nebel des Geisterreichs ein struppiger Hund, der sogar noch größer war als der Mühlturm. Er hatte Augen, die fast so groß waren wie Mühlräder. Er kämpfte mit dem Katzenungeheuer und konnte es besiegen. Und schon waren beide wieder verschwunden.
Nun konnte der Bauer ungehindert nach dem Schatz suchen. Mit einer Wünschelrute, geschnitzt aus einem gabelförmigen Haselnusszweig, fand er die Stelle, wo der Schatz lag. Mit dem Spaten grub er, so schnell er nur konnte. Er drang in das Gewölbe ein und entdeckte eine kunstvoll verzierte, aber bleischwere Kiste, in der sich bestimmt viel Gold und Silber befand, auch edles Geschmeide, Perlen, Ringe und Pokale... Eben alles, was feine Herrschaften damals besaßen. Doch obwohl sich der Bauer mit verschiedenen Werkzeugen und all seiner Kraft und Geschicklichkeit bemühte, die Kiste zu öffnen – es wollte ihm nicht gelingen. Er schaffte es auch nicht, sie von der Stelle zu bewegen und nach draußen zu bringen. In seiner Verzweiflung holte er also erneut das Pfeifchen heraus und blies hinein. Dieses Mal erschien aber kein Hund, sondern das kleine weißhaarige Männchen und sagte: „Dreimal haben dir die Geister geholfen – jetzt hilft dir keiner mehr.“ Daraufhin verschwand das Männchen wieder. Im gleichen Augenblick aber stürzte das Gewölbe ein und begrub den Schatz wieder unter sich. Da musste der Bauer am Ende froh sein, dass er mit dem Leben davongekommen war.
Und der Schatz? Man sagt, er liege immer noch auf dem Rodenstein und könne nur von einem besonders mutigen Schatzgräber gehoben werden.
Text © Karl-Heinz Mittenhuber
Abbildung: © Carmen Berger, Fränkisch-Crumbach, mit freundlicher Erlaubnis