Station: [18] Erinnerungssteine
Eigentlich ist meine Geschichte schon fast zu Ende. Wäre da nicht noch eine sehr traurige Begebenheit zu berichten. Wenige Wochen nachdem Luzie und ich geheiratet haben, ist ein großes Unglück über uns hereingebrochen: Die Nachbarskatze, ein garstiges, riesiges Ungeheuer, hat Luzies Vater gefressen. Das war eine unbeschreibliche Trauer in unserer armen Mausefamilie! Vor allem die Mausemutter war untröstlich. Doch meine Luzie wusste Rat:
Durch eingehende Beobachtung der Menschen war ihr eine bestimmte, in diesem Landstrich weit verbreitete Sitte aufgefallen: In anderen Gegenden werden auf den Gräbern der verstorbenen Menschen Steine aufgestellt, auf denen man den Namen und die Lebensdaten der begrabenen Menschen lesen kann. Hier in der Oberlausitz – sagt meine Luzie – gibt es darüber hinaus auch Erinnerungssteine, die sich die Menschen im Garten aufstellen, um an die Verstorbenen zu denken. Dann brauchen sie nicht immer auf den Friedhof zu gehen und haben ihre Lieben immer bei sich.
Da bin ich schnell zu meinen Freunden dem Glasdrücker und dem Mahlstein gerannt, denn die sind stark und geschickt. Und die haben mir geholfen, solch einen Erinnerungsstein für meinen Schwiegervater herzustellen. Und meine Luzie hat sich einen ganz besonders schönen Spruch ausgedacht:
„Das Band, das uns hier bindet,
trennt weder Zeit noch Ort.
Was in Lieb und Treu sich findet,
das lebt in ihm auch fort.“
Wann immer wir an diesem Stein vorbeiflitzen, haben wir jetzt eine Erinnerung an unseren lieben Mausepapa. Ach, was wären wir bloß ohne die guten Ideen meiner Luzie!
Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH