Station: [13] Mahlstein im Hof


Allons enfants de la patri-ie ! Je jour de gloire est arrivé ! contre nous de la tyranni-ie-e l’étendart sanglant…

Oh, bonjour les amis. Ich habe gerade ein wenig vor mich hergesungen…

Jean-François ist Franzose.

Franzose? Aber wie kommt denn ein Franzose nach Reichenbach?

Oh la la, kleine Maus ! Il fut un temps… früher gab es sehr viele Franzosen hier in Reichenbach! Sie kamen von Westen über eine große Straße…

So wie ich!

… über eine große Straße… die ganze grande armée von Napoléon. Und Napoléon selbst war auch dabei, der große Feldherr von die Franzosen. Und ich auch. Das war in die Jahr 1813.

Die glorreiche französische Armee eilt von Sieg zu Sieg. In Großgörschen, in Bautzen… überall lächelt die Siegesgöttin die stolze Franzosen zu. Die russische und württembergische Streitkräfte fliehen nach Osten, Napoléon ist ihnen auf den Fersen. Am 22. Mai 1813 kommt es zu einer weiteren Schlacht. Zwischen Reichenbach – also hier – und Markersdorf. 30.000 Soldaten und mehr als 40 Kanonen stehen sich gegenüber. Da fällt ein Schuss.

Grand malheur! Eine fatale Kanonenkugel verirrt sich zwischen die französische Offiziere. Der général Kirgener und der général Duroc werden von ein und dieselbe Kanonenkugel getroffen… und getötet!

Napoléon war untröstlich. Denn Duroc war einer seiner engsten Vertrauten. Daher verfügte der Kaiser, dass die sterbliche Überreste von seine treue Gefährte in die Invalidendom nach Paris gebracht werden soll. Une bien triste histoire – eine sehr trauriges Geschichte. Die ich mit eigene Augen angesehen habe.

Wirklich? Du warst dabei?

Natürlich!

Aber das ist doch schon mehr als 200 Jahre vorbei!

Ich bin ja auch stein-alt, wie man so schön sagt!

Und du bist ein Mahlstein. Also ein Stein, auf dem das Korn zu Mehl zermahlen wurde. In der Wassermühle Kuhn am Müllerteich in Niederreichenbach.

Ja. Und nein.

Ja? Oder nein?

Beides. Man nennt mich den Franzosen, weil mitgekämpft habe ich in die siegreiche grande armée. Und als der Krieg aus war… bin ich ein Mahlstein geworden. Und habe mich nützlich gemacht. Ganz einfach.

Na, ich weiß ja nicht…

Ist doch auch egal. Nicht wahr, Jean-François?

Ja, ist egal.

Wir sind eigentlich nur rumgekommen, um zu sagen, dass nachher noch ein Fest steigt. Hinten beim Insektenhotel. Du kommst doch, oder?

Natürlich komme ich… rübergerollt…

Und du singst doch auch, oder?

Ooh, das werden wir sehen!

Ach, bitte! Bitte!

D’accord. Ich singe. Aber dann muss ich vorher noch ein wenig üben. Geht ihr schonmal vor. Ich komme gleich hinterher.

Do- re-mi-fa-sol.

La victoire en chantant nous ouvre la barrière
La victoire guide nos pas...

Ach, der gute Jean-François fabuliert gerne. Lass uns schnell noch einen Blick hier in das kleine Haus werfen, an dem der dicke Mahlstein lehnt. Die Tür ist gleich hier vorne. Komma!

Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH