Station: [11] Glasdrückerei
Oh, Guten Tag. Wer bist du denn, kleine Maus?
Ich… also…
Keine Angst, kleiner Freund, ich tue dir nichts. Ich weiß, viele Menschen mögen keine Mäuse. Aber ich schon. Hier in meiner Werkstatt bist du sicher. Willst du mal schauen, was ich hier mache?
… was du… machst? Bist du auch ein… Ackerbürger?
Ja, ein wenig schon. Aber ich bin vor allem ein Handwerker. Ich bearbeitete Glas.
Dann bist du ein Glasbläser.
Nicht ganz. Sondern ein Glas-drücker.
Ein Glasdrücker?
Ja, ich habe diese bunten Glasstangen, einen kleinen, selbstgebauten Ofen, lange Zangen und verschiedene Formen aus Metall. Zuerst halte ich die Stangen in den heißen Ofen, bis sie vorne eine ganz bestimmte Temperatur haben. Das erkenne ich an der Farbe der Flamme. Dann ziehe ich die Stange wieder heraus, knipse mit der Zange ein Stückchen heißes, weiches Glas ab und presse es in eine der Formen hinein. Wenn die Glasmasse abgekühlt ist, kann sie aus der Form gelöst werden und fertig ist ein kleiner Gegenstand aus Glas.
Und was für ein Gegenstand?
Och, alles Mögliche. Ein paar davon siehst du dort drüben in dem Schaukasten an der Tür.
Da flitze ich gleich mal rüber!
Oh! Bunte Perlen und kleine Pyramiden und Knöpfe und Bilder aus Glas. Und was ist das? Grüne und braune… das sieht aus wie… sind das Augen?!
Ja, Kuscheltieraugen! Alle Kinder lieben die Arbeit der Glasdrücker… ohne es zu wissen!
Na klar, was wären die Kuscheltiere ohne ihre treuen Augen. Oder die Mäuse ohne ihre Knopfaugen… obwohl… meine sind ja echt und nicht aus Glas. Aber sagen Sie, Herr Glasdrücker: Die roten Stücke mit dem Zackenmuster? Was ist das? Vielleicht… Käsereiben aus Glas?
Nein, kleine Maus. Das sind noch mehr Augen: Katzenaugen.
Katzen-augen?!?
Ja, aber die nennt man nur so. Das sind Reflektoren. Rückstrahler, zum Beispiel für Fahrräder. Die Muster mit den vielen Winkeln lenken das Licht in viele verschiedene Richtungen und dadurch sieht es aus, als ob so ein Katzenauge im Dunkeln leuchtet, wenn Licht darauf fällt. Und als Fahrradfahrer wird man besser gesehen.
Das ist ja sehr praktisch. Als ich hier nach Reichenbach gekommen bin, da waren auch überall Autos, vor mir und neben mir und hinter mir… die hätten mich fast überfahren. Und da hätte ich solche Rückstrahler auch gut gebrauchen können.
Und die hättest du in Reichenbach sicher auch schnell bekommen! Denn Glasarbeiten im Allgemeinen und die Glasdrückerei (also die Herstellung von solchen Glasteilen) im Besonderen – die haben eine lange Tradition in Reichenbach! Hier gab es große Glasfabriken, so genannte Glashütten… und eben auch die kleinen Glasdrücker, die ihre Sachen nicht in einer Fabrik, sondern in Heimarbeit hergestellt haben.
Dann gab es früher viele Glasmacher wie Sie?
Sehr viele. Und einige gibt es immer noch. Denn, um so ein schönes, buntes Glas herzustellen… muss man das Geheimnis kennen!
Was für ein Geheimnis denn?
Das Geheimnis der Zusammensetzung. Welche Chemikalien man mischen muss, um so schöne, leuchtende Farben hinzukriegen.
Und dieses Geheimnis…?
Das kannten die Reichenbacher. Und kennen es immer noch. Solche farbigen Stangen zum Beispiel: Da gibt es nicht viele Firmen auf der Welt, die die herstellen. Die dicken und dünnen Stangen, das Granulat oder farbige Folien – die werden hier in Reichenbach hergestellt und dann in viele ferne Länder geliefert.
Weil die Reichenbacher das Geheimnis der Rezepturen kennen, das ist ja ne tolle Sache! Dann bin ich ja an einem ganz besonderen Ort gelandet. Einem Ort mit geheimnisvollen Handwerkern!
Wenn du es so willst, ja! Aber du wirst hier bestimmt noch viele andere aufregende und geheimnisvolle Dinge erleben. Hast du dich schon im Garten umgeschaut? Ich bin sicher, dass da noch eine Menge Abenteuer auf dich warten…
Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH