Station: [13] Spieker
Bauer Caspar Heinrich: Also Mütterchen, setz dich. Es ist Zeit, ein paar Dinge zu regeln.
Altbäuerin Katharina: Kannst es wohl kaum erwarten, dir den Hof unter den Nagel zu reißen, was!? Vor die Tür setzen, kannst du mich aber nicht. Das würde dir vielleicht so passen. Vier Wochen liegt der Vater erst unter der Erde. Gott hab` ihn selig. Und dir fällt nichts Besseres als die Regelung der Leibzucht ein.
Bauer Caspar Heinrich: Der Betrieb muss weiterlaufen. Das weißt du selbst am besten. Also, lass uns die Übergabe des Hofes klären.
Altbäuerin Katharina: Jahrelang stellt man alles zurück, schuftet sich ab, fast Tag und Nacht – und dann wird man einfach so abgeschoben. Wird regelrecht zu einer Belastung. Aber wart`s nur ab, dir wird es irgendwann genauso ergehen. Das kommt schneller, als du denkst.
Kennst du das Gleichnis vom Kind? Da schnitzt der Jungbauer für den Vater einen hölzernen Trog, damit der Alte mit seinen zittrigen Händen das Essen nicht verschüttet. Und da bemerkt der Jungbauer, dass sein eigener Sohn auch an so einem Trog schnitzt. Als er den Sohn fragt, was er da tue, da sagt der Junge: Er mache das, damit die Eltern einmal daraus essen können, wenn sie dereinst bei ihm die Leibzucht bezögen.
Bauer Caspar Heinrich: Ja Mütterchen, jetzt werd` blo´ß nicht rührselig. Wir werden uns schon um dich kümmern. Wirst schon nicht um Hungertuch nagen. Auf anderen Höfen ist das vielleicht so, nicht aber bei uns.
Altbäuerin Katharina: Dein Wort in Gottes Ohr.
Bauer Caspar Heinrich: Für dich ändert sich erstmal nichts. Nur für den Fall, dass es nicht anders geht, bekommst du das Anrecht auf eine eigene Stube und eine Kammer und auch freies Essen und Brennholz. Es ist doch vor allem Vorsorge für dich! Wenn mir oder meiner Frau etwas passiert, wer weiß, wer dann auf den Hof kommt. Deshalb sollten wir den Vertrag auch unbedingt beim Land- und Stadtgericht hinterlegen. Ich war deswegen auch schon beim Bauerrichter. Er meint, wir sollten zusammen zum Gericht nach Herford und dort alles regeln.
Altbäuerin Katharina: Ich weiß zumindest, was mir zusteht. Ich habe es in der Eigentumsordnung nachgelesen: „Da wo für die Leibzucht nicht ein bestimmtes Vermögen durch das Herkommen besteht, wird dieselbe bei der Abtretung festgesetzt. Es gehört alsdann dazu eine mit allen Bedürfnissen eingerichtete Leibzuchtwohnung, und so viel Land, dass die Leibzüchter davon standesgemäß ihren Unterhalt genießen können. In der Regel bildet dieses Land eine Quote von einem Sechstel des ganzen Colonats.“
Bauer Caspar Heinrich: Ach Mutter, du weißt dass das keinen Sinn macht. Ein Sechstel des Landes!? Dir verschreiben!? Der Hof braucht das Land, das weißt du
selbst ganz genau. Und du allein könntest diese Fläche doch gar nicht bestellen. Ist ja eh die Frage, ob du das in deinem Alter überhaupt noch willst.
Mein Vorschlag: Du bekommst die rechte Kammer hinten im Kammerfach. Du bekommst außerdem: ein Bett nebst Bettgestell, einen Koffer, deine Kleidung sowie deine Leib und Bettwäsche. Ich wiederum übernehme sämtliche Schulden, die auf dem Hof lasten. Essen sowie Krankenversorgung sind selbstverständlich und obendrauf bekommst du 50 Taler jährlich. Du siehst, niemand will dich aus dem Haus werfen. Also? Einverstanden?
Altbäuerin Katharina: Einverstanden.
Foto: Bielefelder BauernhausMuseum