Station: [9] Das Schloss Lichtenstein


Wilhelm Hauff … 

Wie ein kolossaler Münsterturm steigt aus einem tiefen Albtal ein schöner Felsen, frei  und kühn, empor. Weitab liegt alles feste Land, als hätte ihn ein Blitz von der Erde  weggespalten, ein Erdbeben ihn losgetrennt, oder eine Wasserflut vor uralten Zeiten  das weichere Erdreich ringsum von seinen festen Steinmassen abgespült.

Mit diesen schwärmerischen Worten umschreibt Wilhelm Hauff „seinen“ Lichtenstein.  Der zentrale Schauplatz des Romans, jene „alte Feste“, ist zu Hauffs Lebzeiten jedoch  schon längst abgerissen. Seit 1802 steht an ihrer Stelle das Forsthaus für den  herzoglichen Revierförster. Der Besucherandrang ist zu jener Zeit schon enorm. Die  Menschen kommen in Scharen. Zunächst vor allem der herrlichen Aussicht wegen, später natürlich auch wegen des berühmten Romans.

Von dem lässt sich, rund zehn Jahre nach Wilhelm Hauffs Tod, ein gewisser Graf  Wilhelm von Württemberg inspirieren. Der Graf, universell gebildet, schreibt  Theaterstücke und Gedichte, und er verfasst beispielsweise Aufsätze zu politischen  Fragen. Die Universität Tübingen verleiht ihm sogar einen Ehrendoktor in Philosophie.  

Nebenbei ist Wilhelm aber auch ein leidenschaftlicher Sammler. Gemälde und  Skulpturen, aber auch Wappen, Uniformen und Rüstungen nennt er sein Eigen. Für all  dies sucht er einen neuen Platz – und wird auf dem Lichtenstein fündig. Die Größe ist  perfekt, die Lage ohnehin – und der Bezug zur württembergischen Geschichte tut sein  Übriges, um den Grafen zu begeistern.  

Am 25. August 1838 wechselt der Lichtenstein den Besitzer. Für 7.553 Gulden und 58  Kreuzer kauft ihn der Graf dem württembergischen König ab, seinem Cousin. Dieser  stellt aber eine Bedingung: Wilhelm wird vertraglich verpflichtet, „auch künftig mit  Bereitwilligkeit anständigen Besuchern“ den Zugang zum neuen Schloss zu gestatten. 

Im Stil des Spätmittelalters lässt Wilhelm den neuen Lichtenstein erbauen. Damit folgt  er nicht nur der Romanvorlage, sondern setzt auch seine eigene romantisch geprägte  Vorstellung um. 

Wie das Nest eines Vogels auf die höchsten Wipfeleiner Eiche oder auf die kühnsten  Zinnen eines Turmes gebaut, hing das Schlößchen auf dem Felsen. (..) und wenn ihm  die vielen hellen Fenster des oberen Stockes ein freies, luftiges Ansehen verliehen, so  zeigten doch die ungeheuren Grundmauern und Strebepfeiler, die mit dem Felsen  verwachsen schienen, (…) daß es auf festem Grunde wurzle, und weder vor der  Gewalt der Elemente noch dem Sturm der Menschen erzittern werde. 

Bereits vor dem Kauf kontaktiert Wilhelm den Architekten Carl Alexander Heidelof aus  Nürnberg. Der ist hellauf begeistert und beginnt mit den Entwürfen für das neue  Schloss. Aber auch der Bauherr selbst lässt eigene Ideen einfließen was die Gestaltung des Baus betrifft. Im Mai 1842 wird „das Wolkenschloss auf schroffem  Steine“ feierlich eingeweiht.

Alle Abbildungen: © Wilhelm-Hauff-Museum