Station: [14] Henry van de Velde: Person und Wirken in Bürgel


Das Keramik-Museum Bürgel verfügt über die größte öffentlich zugängliche Sammlung von Keramiken nach Entwürfen des Gestalters Henry van de Velde. Hier können Sie sie bewundern.

1902 erhielt Henry van de Velde den großherzoglichen Auftrag, den Entwicklungsstand und die Bedürfnisse der kunstgewerblichen Industrien in Sachsen-Weimar-Eisenach zu erfassen. Für die nächsten anderthalb Jahrzehnte sollte sein Stil die Bürgeler Keramik entscheidend prägen.

1863 in Antwerpen geboren, war van de Velde als Mitglied der Brüsseler Künstlergruppe „Les Vingt“ – „die Zwanzig“ – hervorgetreten. Die Präsentation seiner Möbelstücke auf der Internationalen Kunstausstellung in Dresden hatte ihm 1897 auch in Deutschland Renommée verschafft. Fünf Jahre später kam er das erste Mal nach Bürgel und trug maßgeblich dazu bei, dass die Bürgeler Keramik wieder an internationale Standards anschließen konnte.

Van de Velde stattete mehrere Bürgeler Keramikbetriebe mit Entwürfen und Anschauungsmodellen aus seiner Hand aus: Eberstein/Hohenstein, Neumann, Gebauer und Schack. Andere vielleicht auch. Eigentlich waren alle Betriebe verpflichtet, die Gefäße mit einem Signet in Form eines „V“s – für „van de Velde“ – zu kennzeichnen. Allerdings hielt sich lediglich der Betrieb von Eberstein/Hohenstein an diese Vereinbarung. Bei anderen Bürgeler Fabrikaten aus dieser Zeit belegen Katalogeinträge die gestalterische Urheberschaft van de Veldes. Bei wieder anderen kann nur aus der Form der Gefäße oder der Beschaffenheit der Glasuren auf den illustren Gestalter rückgeschlossen werden.

Van de Velde wirkte in der Region nicht nur als Künstlerpersönlichkeit, sondern auch als Pädagoge und Reformator auf vielen Ebenen. Er rief eine Kunstgewerbeschule mit einer Keramischen Abteilung ins Leben und war deren erster und einziger Direktor. Außerdem verbesserte er mit der Einführung bleifreier Glasuren entscheidend die Arbeitsbedingungen der hiesigen Töpfer. Wohlbemerkt: 1880 litten von 30 Töpfermeistern 10 an Bleikoliken und vier hatten in Folge von Bleivergiftungen gelähmte Hände. Die sogenannte ,,Töpferkrankheit‘‘, eine schleichenden Bleivergiftung, die sich meist in diversen Lungenleiden widerspiegelte, war unter Töpfern ein permanentes Arbeitsrisiko. Erst unter dem Einfluss Van de Veldes wurden die giftigen Dämpfe, die beim Brennen entstehen, allmählich aus den Werkstätten verbannt.

Als van de Velde wegen des Ersten Weltkriegs Deutschland verlassen musste, ging er in die Schweiz. 1915 wurde seine Kunstgewerbeschule geschlossen, der Ofen abgerissen, das Inventar verkauft. Der Bruch war irreversibel. Nach dem Ende des Kriegs versuchten einige Bürgeler Töpfermeister zwar Jugendstil-Künstler zurückzuholen, doch die Versuche scheiterten.

Die Farben- und Formensprache allerdings, die van de Velde nach Bürgel gebracht hatte, bestanden fort.