Station: [2] Zumbusch, internationale Kontakte


Kaunitz:

Da schau her, zwei halbe Portionen! Grüß Gott, ihr Bauxerl, herzallerliebste Kinder!

Josef:

Wer ist das jetzt schon wieder! Wer spricht?!

Kaunitz:

Ich bin es!

Josef:

Wer… ich?

Kaunitz:

Herrschaftszeiten. Ich! Der ehrwürdige Wenzel Anton Reichsfürst von Kaunitz-Rietberg. Diplomatischer Berater und engster Mitarbeiter der Kaiserin Maria Theresia von Österreich aus dem Hause Habsburg. Ich schau dich an, Bub,… mit unverwandtem Blick… und einer Schriftrolle in der rechten Hand.

Josef:

Ach, hier in der Vitrine!

Kaunitz:

Da schaut er, der kleine Blitzmerker. Jawoll, hier in der Vitrine. Ich bin – in aller Bescheidenheit – das wichtigste Exponat hier im Raum.

Josef:

Ex-po-nat?! Sie sind eine Statue, so wie Herr Diedrichs und Herr Knoche ihrer viele in ihrer Werkstatt haben. Als Modell.

Kaunitz:

Sehr richtig, sehr richtig. Habe die Ehre. Ich bin das Modell für ein ganz besonderes, sehr viel größeres und schöneres Kunstwerk. Das Denkmal der Kaiserin Maria Theresia auf der Ringstraße in Wien.

Josef:

In Wien? Das ist doch in Österreich. Aber wie kommen Sie dann nach Wiedenbrück?

Kaunitz:

Na das wüsste ich auch gerne! Ich habe meinen Lebtag nicht den Fuß in dieses… Wiedenbrück gesetzt und auch in Rietberg war ich nur selten. Aber… hmm… Ich kenne allerdings einen Bildhauer, der kam irgendwo aus dieser Gegend… ist das eigentlich schon Preußen, dort oben, bei euch? Zumbusch hieß der Mann. Der hat das Denkmal für unsere verehrte Kaiserin Maria Theresia gemacht… obwohl er kein Wiener ist und nicht einmal Österreicher war! Und obwohl wir, also meine Majestät und ich, schon über hundert Jahre verstorben waren.

Josef:

Den kenne ich, den Herrn von Zumbusch, der kam aus Herzebrock. Und hat in München studiert.

Kaunitz:

Mag sein, mag sein. Und der hat… hörte ich hier im Museum… der hat immer von den Bildhauern in seiner Heimat geschwärmt. Was für tolle Sachen die doch für die Kirchen bauen täten und wie begabt sie doch seien. Ein paar dieser westfälischen Buben hat er auch nach Wien kommen lassen, damit die Burschen mal in einer richtigen Kulturstadt ihrer Kunst nachgehen können. Und ein paar Wiener Tischlergesellen hat er wohl auch nach Westfalen geschickt, in dieses Städtchen… wie hieß es doch gleich…

Josef:

Wiedenbrück, Herr Staatskanzler Kaunitz.

Kaunitz:

Wiedenbrück. So ist es. „Wiedenbrücker Schule“ – das war‘s!, davon hat der Zumbusch auch immer geredet. Wiedenbrücker Schule. Bildhauer, Maler…

Josef:

… und Kunsttischler. Und auch Ornamentiker und Vergolder, werter Staatskanzler. Die gehören alle mit dazu.

Kaunitz:

Na, dann weißt du ja mehr als ich, du kleiner Rotzlöffel, du.

Josef:

Ich komme ja auch daher. Und später werde ich auch ein Kunsttischler sein. Und dann schöne Altäre und Kircheneinrichtungen schnitzen.

Kaunitz:

Ah geh! Kirchenaltäre! Das ist ja schön und gut. Aber die hohe Kunst der Diplomatie… internationale Politik… Austausch der Ideen… das ist die Zukunft unserer Welt!

Josef:

Aber das macht der Herr von Zumbusch ja auch, wenn er seine Schüler von Wien nach Wiedenbrück und hin und her schickt.

Kaunitz:

Mag sein, mag sein. Jetzt musst du aber weitergehen, Bub. Ich habe noch zu tun, die ganze dicke Schriftrolle in meiner Hand durcharbeiten, exzerpieren, der Kaiserin vorlegen. Pfüati Gott, Baba und: Habe die Ehre!

Josef:

Auf Wiedersehen, Herr Staatskanzler Kaunitz, auf Wiedersehen.

Das war ja ein seltsamer Mann, aber eigentlich ganz nett. Das wichtigste Ex-po-Dings hier im Raum ist er aber bestimmt nicht. Schau mal, dort drüben, rechts. Da stehen Kunstwerke, die sind mit Sicherheit genauso wichtig.

 

Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum