Station: [103] Bernhard Heising: Betender Landmann
Landmann:
Gelobt sei der himmlische Vater,
Der uns das Brot der Erde geschenkt.
Nicht stören!
Gelobt sei sein heiliger Sohn,
Der uns das Wort des Lebens gebracht.
Bin gleich fertig, Momentchen noch!
Gelobt sei der Heilige Geist,
Der uns zum Mahl der Liebe vereint.
Amen
So. Da bin ich. Was gibt’s denn? Ich kann sehr unleidlich werden, wenn man mich bei meinem Mittagsgebet unterbricht. Das ist meine heilige Gewohnheit: Sobald die Mittagsglocken läuten, lasse ich die Feldarbeit ruhen, steche ich meinen Spaten in die Erde, nehme die Mütze vom Kopf – das gehört sich so – die Pfeife aus dem Mund… und bete.
Ein Moment der Besinnung. Das ist ganz wichtig, wenn man tagein, tagaus aus der Stadt hinaus und aufs Feld geht, um dort den Boden zu bestellen, zu pflügen, zu sähen und zu ernten. Es ist eine harte Arbeit und ein bisschen Gottesfurcht gehört auch dazu. Oder vielleicht ist es nur Respekt und Achtung vor der Großzügigkeit von Mutter Natur, die uns alle ernährt.
Egal welche Religion man hat, diesen Respekt sollten wir nie vergessen, und darum hat mich der Bildhauer Bernhard Heising auch mitten auf den Marktplatz unseres schönen Ackerbürgerstädtchens Wiedenbrück gestellt. Ackerbürger, das bedeutet, dass die Menschen zwar in der Stadt wohnen, aber außerhalb der Stadt ihre Felder und Äcker haben, auf denen sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Genau wie ich!
Tagsüber beackere ich mein Feld und abends kehre ich zurück in die Stadt, so wie andere Leute auch von ihrer Arbeit nach Hause kommen.
Seit 1903 schon bete ich auf dem Marktplatz. Unter mir plätschert das Wasser, der Quell allen Lebens, und ich kann bei aller gebotenen Bescheidenheit sagen, dass ich über die Jahre schon so etwas wie ein Wahrzeichen meiner Stadt Wiedenbrück geworden bin. Darauf bin ich mächtig stolz.
Aber es hilft ja alles nichts. Die Glocken haben aufgehört zu läuten, Mittag ist vorüber, und ich werde meinen Spaten schultern und mich wieder an die Arbeit machen müssen.
Mach’s gut und bis bald mal wieder!
Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum