Station: [6] Vitrine vom Ton zum Holz
Wie entsteht aus einer Zeichnung eine fertige Skulptur? Der Schaffensprozess eines plastischen Künstlers ist komplex und verläuft über zahlreiche Schritte und Materialien. Schauen Sie nach unten rechts: Am Anfang steht die Zeichnung der späteren Figur – hier des Heiligen Augustinus. Die Wiedenbrücker Meister erhielten solche Zeichnungen entweder vom Auftraggeber oder fertigten sie nach seinen Vorstellungen und Wünschen an. Danach wird die Figur über ein Drahtgerüst in Ton modelliert. Nun ist die spätere Holzskulptur bereits gut erkennbar: Der Kirchenvater Augustinus – die Bischofsmütze auf dem Kopf – hält seine Attribute in den Händen: Das Buch, das auf seine Gelehrsamkeit hinweist, und das flammende, für Gott entbrannte Herz. Doch da ungebrannter Ton schlecht konservierbar ist, muss das Modell in einen anderen Werkstoff gebracht werden. Daher wird von der Tonfigur eine Form abgenommen: die sogenannte Negativform. Diese wird mit Gips gefüllt und nach dem Trocknen des Gipses abgeklopft. Um genau zu wissen, was weg kann und was bleibt, hatte man vorher eine Trennschicht aus roter Farbe eingefügt. Das so entstandene Gipsmodell ist haltbarer und kann beispielsweise auch transportiert und dem Auftraggeber präsentiert werden. An charakteristischen Stellen werden sogenannte Punktiernägel in das Gipsmodell eingebracht. Diese Punkte sind wichtig, wenn die Figur im späteren Schaffensprozess vergrößert werden soll. Die abgestimmte und beauftragte Form wird nun grob in Holz gefasst. Dabei spannt der Bildhauer das Gipsmodell in einen Figurenbock ein, während er selbst in derselben Höhe seinen Holzklotz bearbeitet. Nach und nach schält sich die spätere Figur aus dem Holz. Schon sind ihre Konturen zu erkennen. Die durch eine kleine Delle markierten Punkte im Holz sind besonders wichtig: Sie markieren die spätere Oberfläche der Skulptur. Wenn der Handwerker unachtsam über sie hinwegschnitzt, ist die Figur verloren. Denn was bei einer Skulptur weggenommen ist, ist weg. Auch deswegen ist es so wichtig, sich über Zeichnung, Ton- und Gipsmodell eine genaue Vorstellung der gewünschten Form zu verschaffen. Ist es schließlich geschafft und die Holzskulptur vollendet, kann sie farblich gefasst und in den entsprechenden Altar eingebaut werden. Das Gipsmodell hingegen wird aufgehoben und kann noch oft als Vorlage für weitere Heiligenporträts dienen.
Alle Abbildungen: Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum