Station: [10] Malerei der Wiedenbrücker Schule
Eine farblich gefasste Statue, ein Altarbild oder eine Heiligenikone – neben den Bildhauern und Holzschnitzern hatten auch die Maler und Polychromeure einen beträchtlichen Anteil an dem Erfolg der Wiedenbrücker Schule.
Der Historismus begriff den Kirchenraum als Gesamtkunstwerk, in dem Form, Farbe und Licht zu einem einzigen Kunsterlebnis verschmelzen. Dementsprechend arbeiteten die plastischen Künstler der Wiedenbrücker Schule Hand in Hand mit den Malern. Die hier versammelten Tafelbilder geben einen Überblick über den Gestaltungsreichtum der Wiedenbrücker Maler.
Von einer Kreuzigung mit mittelalterlichem Goldgrund über eine Grablegung im Stil der Alten Meister bis hin zu den kleinformatigen Werken, die fast schon expressionistisch anmuten – das stilistische Spektrum der Maler war beträchtlich!
Zwei Künstlerpersönlichkeiten stechen besonders hervor: Heinrich Repke, von dem die großformatige Grablegung stammt, hatte bei Georg Goldkuhle, dem Großneffen des ersten Wiedenbrücker Kunsttischlers Franz Anton Goldkuhle, gelernt. Als Georg Goldkuhle unerwartet stirbt, übernimmt Repke das Atelier bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes. 1907 macht er sich selbständig und gründet ein Atelier für Kirchenmalerei, in dem zweitweise bis zu 20 Angestellte arbeiten. Repkes Werke werden in die Kirchenmöbel der Werkstätten Brockhinke/Becker, Mormann, Siebe und Hartmann integriert. Und auch die hier gezeigte Grablegung war einst Teil eines Kreuzweges.
In einer Vitrine mitten im Raum sehen Sie ein quadratisches Selbstporträt von Heinrich Repke aus dem Jahr 1937. Es hat eine besondere Geschichte: Repke schuf es als Anschauungsmaterial, mit dem er potentielle Auftraggeber besuchte. Wer sich selbst porträtieren lassen wollte, brauchte überzeugende Belege für die künstlerische Qualität des zu erwartenden Werks. So warb Repke mit einem Selbstporträt, auf dessen Rückseite er mit schnellen Strichen das Bildnis einer Spinnerin skizziert hatte – nachweislich ein Porträt seiner Hausangestellten. 1947 widmete und schenkte Repke das Werk einem Freund – dem stadtbekannten Lehrer Hubert Langes. Über dessen Sohn kam das Bildnis nun ins Museum.
Vergleichen Sie bitte noch die reich vergoldete Kreuzigung an der Wand und das kleinformatige Werk ganz links, das einen baumbestandenen Platz mit Fachwerkhäusern zeigt. Beide Gemälde stammen von ein und demselben Künstler: Heinrich Krane. Die Kreuzigung ist eines seiner wenigen sakralen Gemälde. Mit seinem ornamentierten Hintergrund und den großzügigen Faltenwürfen wirkt es wie ein jahrhundertealtes Tafelbild. Die Gesichter der unter dem Kreuz Versammelten sind jedoch im realistischen Stil des frühen 20. Jahrhunderts gestaltet. Der Historismus versteht sich also trotz aller kunstgeschichtlichen Anleihen keinesfalls als 1:1-Kopie der alten Kunst!
Die kleine Stadtansicht ganz links zeigt den Doktorplatz in Rheda. Heinrich Krane fertigte diese Ansicht fast in Massenproduktion. Es hängt in allen erdenklichen Größen in den Wohnzimmern ostwestfälischer Familien. Die Künstler der Wiedenbrücker Schule vereinen also einen hohen ästhetischen Anspruch mit der seriellen Fertigung ihrer Werke. Für sie: kein Widerspruch!
Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum